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Aufsatz



RegR. Dr. Stephan Ott

Der Google Cache - Eine milliardenfache Urheberrechtsverletzung?*

MIR 2007, Dok. 195, Rz. 1-20


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I. Einleitung
Viele Suchmaschinen bieten heute nicht nur eine Websuche an, sondern zahlreiche weitere Dienste, wie eine Nachrichten-, Bilder- oder Buchsuche. Derartige Angebote sind Nutzern vertraut und kaum mehr aus der Internetlandschaft wegzudenken. Und doch bedrohen rechtliche Schranken ihre Existenz und lassen Suchmaschinenbetreiber am Rande der Legalität operieren. In Belgien werden verschiedene Aspekte der Nachrichtensuche derzeit gerichtlich überprüft,[1] die Erstellung von Thumbnails als notwenige Grundlage für den Betrieb einer Bildersuchmaschine wurde in Deutschland bereits als mit dem Urheberrecht unvereinbar eingestuft[2] und in den USA kämpft Google derzeit sowohl um die Zulässigkeit von Thumbnails[3] als auch um den Fortbestand seiner Büchersuche, soweit urheberrechtlich noch geschützte Bücher dort ohne Zustimmung verwendet werden.[4] Dieser Beitrag nimmt das Gerichtsurteil Field v. Google aus den USA zum Anlass, den Google Cache bzw. die Zulässigkeit dieses Dienstes nach dem deutschen- und dem US-amerikanischen Recht zu beleuchten.

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II. Der Google Cache - Der technische Hintergrund[5]
Crawler von Suchmaschinen (im Falle von Google tragen diese die Bezeichnung Googlebot) durchforsten das gesamte Web und speichern von jeder Webseite einen "Schnappschuss", der im Cache abgelegt wird. Nutzern ermöglicht dies die Ansicht einer Webseite, wie sie zu dem Zeitpunkt war, als sie indiziert wurde. In den Suchergebnissen findet sich unter den einzelnen Suchtreffern daher ein als "Im Cache" betitelter Link. Dieser erscheint nicht, wenn der Betreiber einer Website dies untersagt hat, wobei ihm dazu verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Crawler können in den Meta-Tags[6] angewiesen werden, dass eine Webseite gar nicht von Suchmaschinen erfasst werden soll (mit der Folge, dass diese nie in den Suchergebnissen erscheint) oder dass zwar eine Erfassung erfolgen, aber kein Link zum Cache verfügbar sein soll. Für diese Anweisung genügt eine simple Befehlszeile im HTML-Code (META NAME="ROBOTS" CONTENT="NOARCHIVE"). Erstere Anweisung kann zudem über die robots.txt-Textdatei[7] erfolgen. Außerdem stellt Google ein Verfahren zur Verfügung, um Webseiten vom Cache auszunehmen,[8] und soll direkten Kontaktaufnahmen mit der Bitte um Entfernung nachkommen.
Nutzern, die den "Im Cache" Link betätigen, zeigt ein Disclaimer ausdrücklich, dass es sich um eine Version der gesuchten Webseite handelt, die von einem angegebenen Tag stammt und dass die Webseite inzwischen verändert worden sein könnte. Ein Link führt zur Originalseite.
Wie oft eine Webseite besucht wird und dementsprechend wie oft die Version im Cache aktualisiert wird, hängt von zahlreichen Faktoren ab, etwa davon, für wie wichtig Google die Webseite einstuft und ob diese häufig aktualisiert wird.

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III. Die Rechtslage in Deutschland
Die Webseiten, die Google im Cache speichert und seinen Nutzern später anzeigt, werden zumeist urheberrechtlich geschützte Werke enthalten, wie z.B. Bilder oder Texte. Dem jeweiligen Urheber stehen damit die Verwertungsrechte nach den §§ 15 ff. UrhG zu und er kann grundsätzlich die Benutzung seines Werkes durch jeden Dritten untersagen.
Das Verhalten von Google tangiert zunächst das Vervielfältigungsrecht gem. § 16 UrhG (Google erstellt eine Kopie der von den Crawlern aufgefunden Webseite), dann das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung gem. § 19 a UrhG (Google erlaubt Nutzern über den Link "Im Cache" den Aufruf der abgespeicherten Webseite) und schließlich gegebenenfalls erneut das Vervielfältigungsrecht (Nutzer erstellen beim Aufruf der Seite aus dem Cache erneut eine Kopie, mag diese sich auch nur kurzzeitig im eigenen Speicher befinden.[9] Dies ist nur dann keine Rechtsverletzung, wenn Google sich auf eine Schrankenbestimmung des Urheberrechts (§§ 44 a ff. UrhG) berufen kann oder über eine vom Berechtigten erteilte Lizenz verfügt.

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1. § 44 a UrhG
Eine ausnahmsweise Zulässigkeit der Vervielfältigung von Google ergibt sich nicht aus der Urheberrechtsschranke des § 44 a UrhG. Nach dieser Vorschrift sind vorübergehende Vervielfältigungshandlungen, die flüchtig oder begleitend sind und einen integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens darstellen, zulässig, wenn es deren alleiniger Zweck ist, eine Übertragung in einem Netz zwischen Dritten durch einen Vermittler oder eine rechtmäßige Nutzung eines Werkes zu ermöglichen und sie keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben. Das Content-Caching beruht jedoch nicht auf einer technischen Notwendigkeit, sondern stellt ein besonderes Feature einer Suchmaschine dar und ist nicht Teil eines weitergehenden Internetnutzungsvorgangs.[10]

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2. Konkludente Einwilligung
Ausdrücklich erlaubt der Betreiber einer Webseite Google nicht, eine gecachte Version seiner Webseite anzuzeigen. Allerdings könnte allein darin, dass die Webseite für jedermann zugänglich ins Internet gestellt wird, eine konkludente Einwilligung zu Verwertungshandlungen gesehen werden, die Suchmaschinen vornehmen. Dies klingt noch durchaus schlüssig, soweit es z.B. um die Verlinkung von Webseiten geht.[11] Hier lässt sich noch gut argumentieren, dass der Webseitenbetreiber will, dass seine Inhalte gefunden werden. Auch mit Bezug auf die Erstellung von Thumbnails durch Bildersuchmaschinen lässt sich dies durchaus noch in Erwägung ziehen.[12] Für das Caching wird dies ebenfalls vertreten und zwar unter Berufung darauf, dass dieses Angebot "Teil der Internet-Technologie" sei.[13] Eine allzu rasche Annahme einer konkludenten Einwilligung in eine Verwertungshandlung birgt jedoch die Gefahr in sich, die Balance der Interessen zwischen Urheberrechtsinhaber und Werkverwender zulasten des Ersteren vorschnell zu verschieben. Gerade das Caching, das nur von einigen Suchmaschinen angeboten wird, ist mehr zusätzliches Features als wesentliches Element für das Funktionieren des Webs.

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Nach eigener, anderenorts ausführlicher begründeten Ansicht,[14] kann von einer konkludenten Zustimmung ausgegangen werden, wenn

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  • der Werkverwendung gegenüber dem Suchmaschinenbetreiber nicht ausdrücklich widersprochen wurde (entweder durch eine individuelle Benachrichtigung oder auf technischem Weg, z.B. mittels einer Robots.txt Datei),
  • die Werkverwendung auf den absolut notwendigen Umfang beschränkt ist,
  • die Werkverwendung dem Interesse der Urheberrechtsinhaber entspricht und
  • die Urheberrechtsinhaber vernünftigerweise nicht mit einer individuellen Lizenzierung rechnen dürfen, z.B. weil dies aufgrund der Unmenge zu schließender Verträge nicht zu realisieren ist.

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Ein Opt-In-System, bei dem Websitebetreiber Suchmaschinen ausdrücklich die für das Content-Caching erforderlichen Nutzungsrechte einräumen, wäre in der Praxis nicht zu realisieren. Websitebetreiber werden keinen Anreiz hierfür sehen, wenn Sie nicht finanziell entschädigt werden. Das wiederum ist für Suchmaschinenbetreiber nicht lukrativ, weil sie aus dem Content-Caching unmittelbar keine Einnahmen ziehen. Und selbst wenn sie hier in Zukunft Werbung platzieren würden, dürfte der Erlös in keinem Verhältnis zum erforderlichen Aufwand stehen, Ein funktionierendes System, bei dem von den meisten Webseiten gecachte Versionen angeboten werden können, erscheint utopisch. Von daher stellen die erste, zweite und vierte Voraussetzung Suchmaschinenbetreiber vor kein Problem. Die Werkverwendung muss sich immer auf die gesamte Seite beziehen, sonst wäre sie sinnlos.[15] Entgegenstehende Willensäußerungen werden berücksichtigt. Eine individuelle Lizenzierung erscheint nicht praktikabel. Jedoch muss es einer konkludenten Einwilligung entgegenstehen, wenn Interessen des Urhebers tangiert werden. Dies lässt sich nur im Einzelfall entscheiden, wobei es viele Konstellationen geben dürfte, bei denen dies zutrifft. Löscht z.B. ein Webmaster Inhalte, dann will er ggf. nicht, dass diese weiterhin auffindbar sind. Content-Caching nimmt hierauf keine Rücksicht. Das Konzept einer Einwilligung versagt schließlich vollends in den Fällen, bei denen Inhalte ihren Weg in den Cache finden, die bereits urheberrechtswidrig im Netz zugänglich gemacht werden. Hat der Urheber seine Werke nicht bereitgestellt, sondern ein dazu nicht befugter Dritter, besteht kein Anknüpfungspunkt mehr für eine konkludente Einwilligung. Suchmaschinenbetreiber können diese Fälle aber nicht automatisiert erkennen und würden sich hier wohl einer Haftung ausgesetzt sehen, sofern man auf diesen Dienst nicht eine Haftungsprivilegierung des TMG für anwendbar hält. In der Rechtsprechung wurde ein solcher Fall allerdings noch nicht entschieden.

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3. Fazit - Unklare Rechtslage in Deutschland
Zum Content-Caching liegen in Deutschland noch keine Gerichtsurteile vor. In der Literatur werden von der Zulässigkeit bis zur Rechtswidrigkeit alle Meinungen vertreten.[16] Angesichts der kaum vorstellbaren Möglichkeit eines Schadens für Urheber durch das Caching, wäre es überlegenswert, mit einer ausdrücklichen Schrankenregelung für mehr Rechtssicherheit zu sorgen. Zudem wäre eine ausdrückliche Haftungsprivilegierung für Suchmaschinen für das Caching rechtswidriger Inhalte wünschenswert.

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IV. Rechtslage in den USA am Beispiel Field v. Google
Da das Content-Caching auch nach dem US-amerikanischen Urheberrecht oft geschützte Werke betreffen wird und die Ausschließlichkeitsrechte eines Urhebers aus 17 U.S.C. § 106 (u.a. right to reproduce, distribute and publicly display) tangiert, ist die zentrale Frage hier erneut die nach der Rechtfertigung durch Schrankenregelungen bzw. eine (konkludente) Einwilligung des Urhebers.
Im Jahr 2006 konnte Google einen großen gerichtlichen Erfolg erzielen, als der US District Court von Nevada Caching in seinem Urteil vom 12.1.2006 für zulässig hielt.[17] Allerdings ist zu beachten, dass der Kläger, Blake Field, hier nicht besonders geschickt vorgegangen ist. Er stütze seinen Vorwurf einer Urheberrechtsverletzung an 51, auf seiner Webseite www.blakeswritings.com veröffentlichten Bilder nur auf die durch die Nutzer von Google erstellten Kopien, wenn sie einen "Im Cache"-Link anklicken. Diesbezüglich wurde Google eine unmittelbare Urheberrechtsverletzung vorgeworfen. Der Vorwurf einer mittelbaren Rechtsverletzung wurde nicht erhoben. Die Klage ging auch nicht auf die Erstellung einer Kopie der Webseite im Rahmen des Indizierungsprozesses ein.

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Die von einem Nutzer erstellte Kopie kann nicht zu einer unmittelbaren Rechtsverletzung durch Google führen. Schon deshalb sah das Gericht die Klage als unbegründet an. Zudem war zu offensichtlich, dass der Kläger es bewusst darauf angelegt hatte, Google zu verklagen. Wie er vor Gericht selbst zugab, kannte er sich sehr genau mit dem Google Cache aus und wusste auch, wie er verhindern konnte, dass seine Werke dort erscheinen. Trotzdem hat er nicht nur seine Werke im Internet veröffentlicht, sondern sogar in der robots.txt Datei die Erfassung seiner Webseiten durch Suchmaschinen ausdrücklich erlaubt. Eine Berufung auf eine Rechtsverletzung durch Google sei daher rechtsmissbräuchlich (Estoppel), so das Gericht. Das Verhalten des Klägers sei zudem als konkludente Einwilligung zu werten, da dieser um die Arbeitsweise von Google wusste und mit dieser Kenntnis von der Verwendung eines Metatags absah, die die Darstellung im Cache abgewendet hätte.
Das Gericht beließ es im Folgenden aber nicht bei dieser Begründung, sondern prüfte zudem die Voraussetzungen für fair use. Im Unterschied zum deutschen Urheberrecht kennt das US-amerikanische nicht nur einen Katalog mit Schrankenbestimmungen, sondern auch eine generalklauselartige Schranke des fair use (17 U.S.C. § 107). Die Feststellung von fair use erfolgt dabei im jeweils konkreten Einzelfall anhand der Abwägung mehrerer Faktoren. Maßgeblich ist danach, welchem Zweck die Nutzung dient, insbesondere ob sie kommerziell oder nichtkommerziell ist (the purpose and character of the use, including whether such use is of a commercial nature or is for nonprofit educational purposes), welcher Art das geschützte Werk ist (the nature of the copyrighted work), wieviel von ihm genutzt wird (the amount and substantiality of the portion used in relation to the copyrighted work as a whole) und welche wirtschaftlichen Auswirkungen diese Nutzung hat (effect of the use upon the potential market for or value of the copyrighted work). Kein Faktor alleine ist ausschlaggebend. Gerichte messen dem ersten und vierten Faktor in der Regel die größere Bedeutung zu.

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1. Zweck der Nutzung
Bei dem ersten Faktor haben Gerichte zu beurteilen, ob eine ausbeuterische Verwendung eines Werkes vorliegt oder ob es sich nicht vielmehr um eine transformative Werknutzung handelt, die das Werk einer anderen als der ursprünglichen Zweckbestimmung zugänglich macht oder ihr etwas Neues hinzufügt. Je mehr dies angenommen werden kann, desto stärker tritt ein wirtschaftlicher Hintergrund einer Tätigkeit zurück.
Die Bilder auf der Website des Klägers dienten im wesentlichen Unterhaltungszwecken. Deren Nutzung durch Google sei "hochtransformativ". Das Gericht stützte diese Annahme im Fall Field v. Google auf fünf Gründe:

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  • Google erlaubt den Zugriff auf Inhalte, selbst wenn die Webseite mittlerweile aus dem Internet entfernt wurde. Die gecachte Version stellt damit ein vor allem bei Wissenschaftlern und Journalisten begehrtes Feature dar, um auch zu einem späteren Zeitpunkt noch Inhalte rekonstruieren zu können.
  • Die gecachte Version ermöglicht es, die Entwicklung einer Webseite nachzuvollziehen und Änderungen auszumachen.
  • Da in der gecachten Version die verwendeten Suchbegriffe farbig hervorgehoben werden, können Nutzer auf einfache Weise nachvollziehen, warum eine Webseite als Suchergebnis gelistet wurde, eine gerade bei längeren Dokumenten zu schätzende Hilfestellung.
  • Der Aufbau der gecachten Webseite zeigt eindeutig, dass nicht beabsichtigt ist, die Originalseite zu ersetzen. Ein Disclaimer informiert Nutzer darüber, dass es sich um einen Schnappschuss einer Webseite zu dem Zeitpunkt handelt, in dem die Seite letztmalig von einem Crawler besucht wurde. Zudem findet sich ein Link zur Originalseite.
  • Google ermöglicht es jedem, seine Website auf einfache Art und Weise von der Anzeige einer gecachten Version auszunehmen.

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Wenig Gewicht legt das Gericht auf den Aspekt, dass es sich bei Google um ein Wirtschaftsunternehmen handelt. Es gab zu bedenken, dass bislang die gecachte Version einer Webseite ohne Werbeeinblendungen angezeigt wird. Das Gericht wertete daher den ersten Faktor klar zugunsten von Google.

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2. Art des geschützten Werkes
Werke, die kreativer Natur sind, liegen näher am Kern des beabsichtigten Urheberrechtsschutzes als faktenbasierte Werke. Es kommt daher auf eine Beurteilung im Einzelfall an, wobei Gerichte berücksichtigen, dass die streitgegenständlichen Werke bereits im Internet veröffentlicht sind. Im Fall Field hatte dieser durch die Verwendung einer robots.txt Datei die Erfassung zudem noch begrüßt und damit zum Ausdruck gebracht, dass er eine weite Verbreitung wünscht. Der District Court of Nevada, der diesen Faktor für insgesamt nicht besonders wichtig für die Gesamtabwägung erachtete,[18] wertete daher diesen, die Werke des Klägers einmal ohne nähere Untersuchung als kreativ einstufend, als geringfügig für den Kläger sprechend.

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3. Umfang der Nutzung
Dieser Faktor betrifft die Quantität des verwendeten Werkes. Je mehr von einem Werk verwendet wird, desto eher werden Gerichte dazu neigen, diesen Faktor gegen den Verwender des Werkes auszulegen. Jedoch ist stets die konkrete Verwendung zu betrachten. Soweit nur soviel von einem Werk kopiert wird, wie für die beabsichtigte Nutzung unumgänglich ist, spricht dieser Faktor nicht gegen den Verwender. Da die Darstellung nur eines Teils einer Webseite im Cache die bei dem ersten Faktor aufgeführten Zwecke nicht erfüllen kann, wurde dieser Faktor als neutral bewertet.

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4. Wirtschaftliche Auswirkung der Nutzung
Abschließend ist zu untersuchen, ob die Verwendung eines Werkes Auswirkungen auf den potentiellen Markt oder auf den Wert des geschützten Werkes hat. Die Möglichkeiten des Urheberrechtsinhabers auf einem bestehenden oder potentiellen Markt sollen nicht geschmälert werden.
Der Kläger macht seine Werke der Öffentlichkeit auf seiner Webseite unentgeltlich zugänglich und hat zugegeben, bislang noch nie aus dem Verkauf oder der Lizenzierung der Werke Einkünfte erzielt zu haben. Nach Ansicht des Gerichts gibt es daher keinen Markt für die Werke des Klägers, insbesondere keinen zur Lizenzierung der Werke zur Erstellung gecachter Versionen durch Suchmaschinen. Der Faktor spreche damit stark für Google.

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5. Intention des Werkverwenders
Die Aufzählung der fair use Faktoren ist nicht abschließend (17 U.S.C. § 107 "including"). Gerichte haben daher gelegentlich die Intention des Urheberrechtsverwenders in der Abwägung berücksichtigt. Auch dieser Faktor spricht zugunsten von Google, da ein entgegenstehender Wille von Webmastern immer berücksichtigt wird. Google informiere seine Nutzer über die Möglichkeiten, um eine Entfernung ihrer Webseite zu erreichen. Die Webseite des Klägers wurde ebenfalls unmittelbar nach Kenntniserlangung von der Klage gelöscht.

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6. Fazit - Content Caching mit US Urheberrecht vereinbar
Unter Berücksichtigung dieser Faktoren hat der District Court of Nevada "fair use" angenommen und das Content-Caching von Google als vereinbar mit dem US Urheberrecht angesehen. Einzelne Überlegungen des Gerichts stoßen zwar zu Recht teilweise auf Widerspruch.[19] Insgesamt betrachtet, ist das Ergebnis der Abwägung aber zu begrüßen. Aussagen des Gerichts lassen sich dahingehend lesen, dass es dem Kläger die Möglichkeit zur Vermarktung seiner Werke komplett abgesprochen hat. Das mag in dieser Allgemeinheit zwar nicht zu überzeugen, aber es ist jedenfalls nicht damit zu rechnen, dass sich ein Markt für Content-Caching entwickeln könnte. Insoweit ist das Ergebnis wieder stimmig. Es lässt sich auch darüber streiten, ob das Gericht nicht die Wirtschaftlichkeit der Tätigkeit von Google unterbewertet hat. Die Aussage, dass der Cacheservice, der nicht von allen Suchmaschinen angeboten wird, eines der Features ist, dass Nutzer dazu bewegt, Google zur Suche zu benutzen und damit dessen Werbeeinnahmen steigert,[20] erscheint aber zu weit hergeholt und übertrieben.

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V. Ergebnis
Google bietet seit 1998 die Möglichkeit, dass Nutzer Webseiten im Cache betrachten können. Bislang hat es eine einzige Klage in den USA gegeben. Das Feature mag zwar (zumindest nach deutschem Recht) rechtswidrig sein, Rechteinhaber haben sich aber bislang auf die Vorgaben von Google und das dem Urheberrecht eigentlich fremde "Opt-Out"-System eingelassen. Warum sollten sie auch gerichtliche Schritte einleiten und ein Prozessrisiko in Kauf nehmen, wenn der von ihnen gewünschte Erfolg auch auf einfachem technischem Weg oder durch eine Mitteilung zu erreichen ist? Für Suchmaschinenbetreiber bleibt trotzdem das für sie nicht erfreuliche Ergebnis, dass sie eine Funktion anbieten, die jederzeit zu einer Erfolg versprechenden Klage führen könnte. Hier ist der (europäische, aber auch der deutsche) Gesetzgeber aufgerufen, das "Recht der Suchmaschinen" durch Nachbesserungen bei den Schrankenregelungen und durch klare Haftungsvorgaben zu konkretisieren.


* Der Autor Dr. Stephan Ott ist als Regierungsrat im Zentrum Bayern Familie und Soziales tätig und Verfasser zahlreicher Veröffentlichungen zum Internetrecht. Weiterhin ist er Betreiber der Webseiten http://www.linksandlaw.com, http://www.linksandlaw.de (Informationen zum Recht der Suchmaschinen auf englisch bzw. deutsch), http://www.linksandlaw.info (zur Impressumspflicht für Webseiten) und http://www.linksandlaw.org (zum Jugendschutz im Internet).

[1] Siehe Google News - Eine Urheberrechtsverletzung in Belgien - http://www.linksandlaw.de/news730-google-news-ende.htm.
[2] LG Hamburg, Urteil vom 5.9.2003, Az. 308 O 449/03 ( http://www.linksandlaw.de/urteil73-thumbnails.htm ); a.A. jedoch kürzlich das LG Erfurt, Urteil vom 15.3.2007, Az. 3 O 1108/05 = MIR Dok. 113-2007 ( http://www.medien-internet-und-recht.de/volltext.php?mir_dok_id=615 ) = http://www.linksandlaw.de/urteil171-bildersuche-thumbnails.htm; für eine Übersicht zur Diskussion in Deutschland und in den USA siehe Ott, ZUM 2007, 119 ff.
[3] Siehe Perfect 10 gegen Google: Vorerst ein Unentschieden im Kampf um die Bildersuche, http://www.linksandlaw.de/news419-google-thumbnail-haftung.htm.
[4] Siehe Google Print Overview: Concept and legal issues, http://www.linksandlaw.com/google-print-timeline-1.htm.
[5] Siehe zum Cache die Informationen von Google unter http://www.google.ch/help/features.html.
[6] Metatags sind speziell für Crawler aufbereitete Informationen über eine Webseite und für die Besucher unsichtbar, sofern sie nicht den Quelltext einer Website ansehen (im Internet Explorer z.B. unter „Ansicht“ / „Quelltext“). Ausführlichere technische Hintergründe unter http://www.linksandlaw.de/suchmaschinen-lexikon-meta-tags.htm.
[7] Laut der Übereinkunft des Robots Exclusion Standard-Protokolls liest ein Crawler beim Auffinden einer Webseite zuerst die Datei robots.txt im Wurzelverzeichnis (Root) einer Domain. In dieser Datei kann festlegt werden, ob und wie die Webseite von einem Webcrawler besucht werden darf. Ein Webmaster kann dem Crawler z.B. mitteilen, dass er nur eine Erfassung seiner Startseite wünscht.
[8] Vgl. www.google.com/remove.html.
[9] Auf diese Vervielfältigung soll im Folgenden nicht weiter eingegangen werden. Das Handeln der Nutzer wird in den allermeisten Fällen als privater Gebrauch i.S.d. § 53 UrhG erlaubt sein.
[10] Einige weitere Schrankenregelungen kurz andiskutierend, aber allesamt ablehnend Roggenkamp, K&R 2006, 405, 407.
[11] Zu der mittlerweile weitgehend geklärten Debatte um die urheberrechtliche Zulässigkeit der Verlinkung fremder Webseiten vgl. BGH MMR 2003, 719 ff. – Paperboy; Ott, Urheber- und wettbewerbsrechtliche Probleme von Linking und Framing, Diss. 2004, S. 295 ff. m.w.N. (im Internet im Volltext unter http://www.linksandlaw.com/ownpublications-zsfgpromotion.htm ); ders., WRP 2004, 52 ff. m.w.N.
[12] Dazu ausführlicher Ott, ZUM 2007, 119 ff.
[13] Bahr, The Wayback Machine und Google Cache - eine Verletzung deutschen Urheberrechts?, JurPC Web-Dok. 29/2002, http://www.jurpc.de/aufsatz/20020029.htm , Abs. 8.
[14] Vgl. Ott, ZUM 2007, 119, 126 f.
[15] Dazu sogleich noch ausführlicher im Rahmen der Erörterung der US-amerikanischen Rechtslage.
[16] Zulässig: Bahr, The Wayback Machine und Google Cache - eine Verletzung deutschen Urheberrechts?, JurPC Web-Dok. 29/2002, http://www.jurpc.de/aufsatz/20020029.htm; unzulässig: Roggenkamp, K&R 2006, 405 ff.
[17] Blake A. Field v. Google Inc. (No. 2:04-CV-0413, D.Nev). Das Urteil findet sich im Volltext unter http://www.linksandlaw.com/decisions-148-google-cache.htm.
[18] In Folge von Mattel Inc.v. Walking Mountains Prods., 353 F.3d 792, 803 (9th Cir. 2003).
[19] Vgl. Roggenkamp, K&R 2006, 405 ff.
[20] Vgl. Roggenkamp, K&R 2006, 405, 406.

Online seit: 21.05.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/697
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