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Rechtsprechung



KG Berlin, Urteil vom 03.04.2007 - Az. 5 W 73/07

"In der Regel... " - Die Verwendung der Formulierung "in der Regel ..." in einer Klausel zur Regelung von Lieferfristen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ist nicht hinreichend bestimmt und damit unwirksam i.S.d. § 308 Nr. 1, 2. Alt. BGB.

BGB §§ 308 Nr. 1, 2 Alt., 307; UWG §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 Satz 1; UStG §§ 14, 14a, 15

Leitsätze:*

1. Die Verwendung der Formulierung "in der Regel ..." in einer Klausel zur Regelung von Lieferfristen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ist nicht hinreichend bestimmt und damit unwirksam i.S.d. § 308 Nr. 1, 2. Alt. BGB. Es fehlt jeder Ansatzpunkt für ein Fristende. Ein Durchschnittskunde muss ohne Schwierigkeiten und ohne rechtliche Beratung in der Lage sein, das Ende einer in AGB vorgegebenen Lieferfrist selbst zu erkennen und zu berechnen. Nicht hinreichend bestimmte Leistungszeitangaben führen dazu, dass die Leistungszeit mehr oder weniger in das Belieben des Verwenders gestellt wird. Das aber will § 308 Nr. 1 BGB verhindern.

2. Mit der Bestimmung, die Übergabe an den Paketdienst erfolge "in der Regel 1 - 2 Tage nach Zahlungseingang", gibt der Kunde nicht nur sein Einverständnis für die Zeitdauer des Regelfalles. Ihm könnte zudem vorgehalten werden, in "Ausnahmefällen" auch einer späteren Übergabe zugestimmt zu haben. Durch eine derartige Klausel vermeidet der Verwender gerade eine Festlegung der Lieferzeit für alle in Betracht kommenden Fälle und sie will sich offensichtlich in besonderen Fällen eine spätere Übergabe vorbehalten. Ein Ende des vereinbarten Lieferzeitraums ist dann aber für den Kunden nicht zu erkennen, zumal er nicht absehen kann, wann ein "Regelfall" und wann ein "Ausnahmefall" vorliegt.

3. § 308 Abs. 1 Nr. 1 BGB enthält - jedenfalls soweit er nicht hinreichend bestimmte Fristen in AGB untersagt und der Transparenz dienen soll - eine Regelung, die dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (§ 4 Nr. 11 UWG).

4. Nur insoweit zwei Marktteilnehmer miteinander im Wettbewerb stehen (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG), kann im Hinblick auf ein Unterlassungsbegehren eine Begehungsgefahr gegeben sein.

5. Bei Lieferfristen von 10 Tagen (oder etwa 12 Tagen unter Hinzurechnung von 1-2 Tagen bis zur Übergabe an die Post) kann noch nicht von einer "unangemessen langen" Lieferzeit im Sinne des § 308 Nr. 1 BGB ausgegangen werden. Denn der Klauselverwender (das Versandunternehmen) darf bei der Bemessung der Lieferzeit in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht nur einen tatsächlichen Regelzeitraum von Postauslieferungen zugrunde legen, sondern es kann angemessen Risiken einer ausnahmsweise verlängerten Postlaufzeit einbeziehen. Selbst für die Frist zur Annahme eines Vertragsangebotes bei Alltagsgeschäften wird ein Zeitraum von 14 Tagen noch nicht als unangemessen lange erachtet (vgl. hierzu OLG Naumburg, MDR 1998, 854).

6. Steuervorschriften, die die Erhebung von Steuern gebieten und sichern sollen, haben grundsätzlich keine auch nur sekundäre, auf die Lauterkeit des Marktverhaltens bezogene Schutzfunktion (vgl. etwa: OLG München, GRUR 2004, 169). Ein Unternehmer, der Steuern hinterzieht und sich dadurch einen Wettbewerbsvorsprung vor seinen ehrlichen Mitbewerbern verschafft, handelt daher nicht zugleich unlauter. §§ 14, 14 a UStG schreiben aus Kontroll-, Beweis- und Sicherungszwecken eine Rechnungsausstellung in bestimmten Fällen vor. Dienen diese Vorschriften damit nur im Vorfeld der Abwehr einer Steuerhinterziehung oder der Abwehr von unberechtigt geltend gemachten Steuererstattungsansprüchen, dann fehlt es aber - ebenso wie der Steuerhinterziehung selbst - an einem Lauterkeitsbezug im Sinne des UWG.

7. Aus § 14 Abs. 1 UStG kann sich - als ausdrückliche Normierung einer aus Treu und Glauben folgenden vertraglichen Nebenpflicht - ein vertraglicher Anspruch auf eine Rechnungsausstellung ergeben (BGH, NJW-RR 2002, 141; BGH, NJW 1988, 2042). Dies setzt aber voraus, dass die Rechnung gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG zur Durchsetzung eines - berechtigten - Vorsteuererstattungsanspruchs notwendig ist (BGH, NJW-RR 2002, 141). Daran fehlt es etwa dann, wenn ein Mitbewerber als Kleinunternehmer nach § 19 Abs. 1 UStG nicht der Umsatzbesteuerung unterliegt.

8. Ein Klausel in AGB, in der es heißt "eine Rechnung liegt meist der Lieferung bei" bedeutet noch keinen Ausschluss eines - berechtigten (vgl. LS 7) - Rechnungsstellungsanspruchs des Kunden. Die Klausel besagt nur etwas zum Weg und Zeitpunkt einer Rechnungszusendung und lässt offen, in Ausnahmefällen die Rechnung auch gesondert per Post oder auf Nachfrage gesondert zu übersenden. Dem steht auch nicht entgegen, wenn der Kunde die Rechnung für eigene Abrechnungszwecke verwenden will, denn der Auftragsumfang und die Zahlung lässt sich insoweit auch anderweitig belegen.

MIR 2007, Dok. 145


Anm. der Redaktion: Zur Frage der Bestimmtheit der Leistungs- bzw. Lieferfristangaben führt das Gericht weiter aus: "Dem steht auch nicht entgegen, dass Leistungszeitangaben im Rahmen kalendermäßiger Begriffe nach verbreiteter Auffassung nur ungefähr angegeben werden müssen, etwa "ca. 4 Wochen" zulässig sein soll (...). Es ist schon fraglich, weshalb die Unschärfe von "ca."-Angaben überhaupt toleriert werden soll. Selbst wenn der Kunde die Größenordnung insgesamt noch annähernd ermitteln könnte, so verblieben doch immer Unklarheiten für eine taggenaue Bestimmung des Endes der Lieferzeit. Ist eine (annähernd) taggenaue Fristberechnung möglich, dann besteht schon für den Klauselverwender kein hinreichender Grund, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Lieferzeit mit einer "ca."-Angabe zu relativieren. Vorliegend kann dies aber auf sich beruhen. Denn selbst wenn man eine "ca."-Angabe als der Größenordnung nach hinreichend bestimmbar ansähe, gilt dies für eine Angabe "in der Regel" (...) gerade nicht, weil für den Ausnahmefall (...) jeder Anhaltspunkt für ein Fristende fehlt."
Download: Entscheidungsvolltext PDF


Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 15.04.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/647

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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