Rechtsprechung
LG Hamburg, Urteil vom 28.04.2006 - Az. 324 O 993/05
Störerhaftung von Suchmaschinen für "Snippets"- Der Betreiber einer Internetseite haftet ab Kenntnis als Störer für weitere rechtswidrige Einträge bzw. Inhalte der konkreten Art.
BGB § 823 Abs. 1, § 1004; GG Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1
Leitsätze:*1. Bei der Frage, wie eine Äußerung zu verstehen ist (hier: die im Rahmen von Suchmaschinenergebnissen zusammengetragenen sog.
Snippets - Ausschnitte - von Beiträgen auf Internetseiten Dritter), ist als Maßstab das Verständnis des Durchschnittsrezipienten
(BVerfG, Beschl. v. 10.10.1995, NJW 1995, S. 3303 ff.3305.3310) zugrunde zu legen. Dabei kann nicht unterstellt werden, dass
der Nutzer eines Internetangebots (hier: einer Internetsuchmaschine) über ein vertieftes Verständnis der Funktionsweise des Internets verfügt.
Es kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass der Durchschnittsnutzer (hier: der Suchmaschine "Google") weiß, auf welche Weise
die ihm auf seine Eingabe von Suchworten präsentierten "Snippets" zustande kommen.
2. Eine Verbreitung von Meinungsäußerungen i.S.d. Art. 5 Abs. 1 GG ist nicht geschützt, wenn diese an Tatsachen anknüpfen,
die unzutreffend sind (BVerfG, Beschl. v. 16.7.2003, NJW 2004, S.277 ff., 278).
3. Bei Ansprüchen auf Unterlassung der Verbreitung von Äußerungen, die mehrere Verständnismöglichkeiten zulassen, ist
zugunsten der von der Äußerung betroffenen Person von der Verständnismöglichkeit auszugehen, die das allgemeine
Persönlichkeitsrecht der von der Äußerung betroffenen Person verletzt, sofern diese Verständnismöglichkeit nicht fern
liegend ist (BVerfG, Beschl. v. 25.10.2005, NJW 2006, S. 207 ff., 108 f.).
4. Der Betreiber einer Internetseite (hier: Suchmaschine) haftet ab Kenntnis als Störer für weitere rechtswidrige Einträge
bzw. Inhalte (hier: sog. "Snippets" in den Suchergebnissen) der konkreten Art.
5. Jedenfalls dann, wenn bereits mindestens eine Rechtsverletzungshandlung von einigem Gewicht im Rahmen seines Internetauftritts
benannt worden ist und sich die Gefahr weiterer Rechtsverletzungshandlungen bereits konkretisiert hat, ist eine gesteigerte
Überprüfungspflicht des Betreibers begründet, die es nicht mehr zulässt, dass sich der Betreiber der Internetseite darauf beruft,
eine Überprüfung seines eigenen Internetangebots sei ihm wegen dessen Umfangs nicht zumutbar. Dies gebietet das Erfordernis
eines angemessenen Ausgleichs zwischen den Interessen des Betreibers der Internetseite und dem Persönlichkeitsrecht der von
den Interneteinträgen betroffenen Person (vgl. auch Hans.OLG Hamburg, 7,ZS., Urt. v. 22.8.2006, Az 7 U 50/60 =
MIR Dok. 139-2006, zur Überprüfungspflicht
bei Internetforen). Spätestens nachdem gegenüber dem Betreiber einer Internetseite (hier: Suchmaschine) Einträge der jeweils
angegriffenen Art beanstandet wurden, ist dieser gehalten, Vorkehrungen zu treffen, um den Eintritt weiterer Rechtsverletzungen
zu verhindern.
MIR 2007, Dok. 045
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 04.02.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/547
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
OLG München, Urteil vom 25.06.2020 - 29 U 2333/19, MIR 2020, Dok. 070
Werbeblocker II - Keine unlautere zielgerichtete Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG und keine aggressive geschäftliche Handlung im Sinne von § 4a Abs. 1 UWG durch das Angebot einer Werbeblocker-Software (hier: Adblock Plus)
BGH, Urteil vom 19.04.2018 - I ZR 154/16, MIR 2018, Dok. 044
Affiliate-Link - Zu den Anforderungen an die Kenntlichmachung von Affiliate-Links in einem redaktionellen Beitrag auf einem Internetportal
OLG Köln, Beschluss vom 16.12.2020 - 6 W 102/20, MIR 2021, Dok. 006
Club Hotel Robinson - Zur Beantwortung der Frage, ob eine relevante markenrechtliche Verletzungshandlung im Inland vorliegt
BGH, Urteil vom 07.11.2019 - I ZR 222/17, MIR 2020, Dok. 044
Beste Bildqualität - Die Werbung mit einem sehr guten Teilergebnis bei mangelhaftem Gesamtergebnis eines Warentests ist ausnahmsweise nicht irreführend, wenn die Gesamtnote im Testbericht (wegen Produktverbesserung) ausdrücklich relativiert wird
OLG Köln, Urteil vom 24.06.2022 - 6 U 8/22, MIR 2022, Dok. 047