Rechtsprechung
OLG Bamberg, Urteil vom 6.09.2006 - Az. 3 U 363/05
Ungewollte E-Mail-Werbung gegenüber Gewerbetreibenden - Die Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung allein aufgrund einer gewerblichen Tätigkeit des Empfängers kommt nicht in Betracht.
UWG § 7 Abs. 2 Nr. 2
Leitsätze:*1. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG ist eine unzumutbare Belästigung bei einer Werbung unter Verwendung von elektronischer Post
anzunehmen, wenn diese erfolgt, ohne dass eine Einwilligung der Adressaten vorliegt. Etwas anderes gilt lediglich unter den
Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 UWG.
2. Eine Einwilligung in eine E-Mail-Werbung kann in ausdrücklicher Form als auch durch schlüssige Handlung erfolgen. Allein
das Vorbringen, dass eine konkrete Geschäftsbeziehung angebahnt werden soll, ist hier allerdings irrelevant. Denn dies trifft
letztlich für jede Art von Werbung zu.
3. Die Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung allein aufgrund einer gewerblichen Tätigkeit des Empfängers kommt nicht in Betracht.
Schon bei einer systematischen Auslegung des Gesetzes scheidet im Rahmen des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG eine Differenzierung zwischen
Verbrauchern und Gewerbetreibenden aus. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG enthält (für Telefonwerbung) eine solche Differenzierung.
Aus der Tatsache, dass diese bei § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG fehlt ist zu folgern, dass sie der Gesetzgeber bei den dort genannten
Werbemethoden nicht gewollt hat (nach systematischer Auslegung).
4. Diese systematische Auslegung wird durch die Gesetzesmaterialien gestützt.
Der im Regierungsentwurf vertretenen Auffassung, Werbemails seien im geschäftlichen Verkehr besonders belastend, ist in vollem
Umfang beizutreten. Anders als Privatpersonen wird ein Gewerbetreibender kaum darauf vertrauen können, dass die in der E-Mail-Software
enthaltenen SPAM-Filter ausschließlich Werbemails (und nicht auch gewünschte Nachrichten) aussortieren, und deshalb gezwungen
sein, den Inhalt eingehender Werbemails selbst zu überprüfen. Hinzukommt, dass gerade Gewerbetreibende häufig Internetseiten
zur Darstellung ihrer Tätigkeit unterhalten und wegen der dort veröffentlichten E-Mail-Adresse einem verstärkten Aufkommen
unerwünschter Werbemails ausgesetzt sind. Die daraus resultierenden Belastungen haben inzwischen dazu geführt, dass Internetnutzer
ihre E-Mail-Adressen nicht mehr preisgeben (s. Umfrage der Fa. Fittkau & Maaß GmbH von April/Mai 2004, veröffentlicht auf
http://www.w3b.org/ergebnisse/w3b18). Dies ist nicht im Sinne einer an sich erwünschten Vereinfachung und Beschleunigung von
Geschäftsabwicklungen durch den elektronischen Datenverkehr.
MIR 2007, Dok. 017
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 14.01.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/519
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
BGH, Urteil vom 23.10.2019 - I ZR 46/19, MIR 2020, Dok. 005
Testsieger aus über 500 getesteten Matratzen - Irreführende Werbung mit Testergebnissen und zu den Grundsätzen der Blickfangwerbung
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 18.11.2021 - 6 W 92/21, MIR 2021, Dok. 098
Adblock Plus zulässig - Kein Verstoß gegen Kartell-, Wettbewerbs- und Urheberrecht
Oberlandesgericht München, MIR 2017, Dok. 033
Haftung des Plattformbetreibers - Nach Kenntnis einer Kennzeichnungspflichtverletzung (hier Milchersatzprodukte) kann für amazon eine Verpflichtung zur Verhinderung (und Beseitigung) gleichartiger Rechtsverletzungen bestehen
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 21.12.2023 - 6 U 154/22, MIR 2024, Dok. 007
Parodie braucht Humor und Spott - Eine Parodie liegt nicht vor, wenn sich ein Wort- und/oder Bildbeitrag in der Kritik am Gegenstand eines Lichtbild(werk)s erschöpft
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 02.02.2023 - 11 U 101/22, MIR 2023, Dok. 019