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Rechtsprechung



KG Berlin, Urteil vom 25.09.2006 - Az. 10 U 262/05

Ein Anspruch auf Erteilung der Auskunft über Namen und Anschrift sowie die IP-Adressen der Verantwortlichen für Internetseiten, auf denen gefälschte Bildnisse einer Person verbreitet werden, lässt sich weder aus § 242 BGB noch aus § 101a UrhG analog ableiten.

BGB § 242; UrhG § 101a; TDDSG § 3 Abs. 2, § 5; BDSG § 3 Abs. 4 lit. a

Leitsätze:*

1. Ein Anspruch auf Erteilung der Auskunft über Namen und Anschrift sowie die IP-Adressen der Verantwortlichen für Internetseiten, auf denen gefälschte Bildnisse einer Person verbreitet werden (hier: manipulierte Nacktaufnahmen), lässt sich weder aus § 242 BGB noch aus § 101a UrhG analog ableiten.

2. Soweit der auf Auskunft in Anspruch Genommene nicht selber Verletzer ist, sondern nur Störer (hier: - vom Gericht offen gelassen - Access- und/oder Host-Provider) ergibt sich ein solcher Anspruch insbesondere nicht im Wege der direkten oder analogen Anwendung des urheberrechtlichen Auskunftsanspruches aus § 101a Abs. 1, 3 UrhG. Denn es fehlt insoweit sowohl an einer Regelungslücke als auch an einer Verletzungshandlung des in Anspruch Genommenen.

3. Einer Auskunftserteilung auf Grundlage von § 242 BGB steht jedenfalls die Vorschrift des § 3 Abs. 2 TDDSG entgegen. Danach darf der Diensteanbieter für die Durchführung von Telediensten erhobene personenbezogene Daten für andere Zwecke nur verarbeiten und nutzen, soweit das TDDSG oder eine andere Rechtsvorschrift es erlaubt oder der Nutzer eingewilligt hat.

4. Name und Anschrift der Nutzer gehören zu den Daten, die für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung oder Änderung eines Vertragsverhältnisses über die Nutzung von Telediensten erhoben werden. Es handelt sich daher um Bestandsdaten i. S. v. § 5 Satz 1 TDDSG. Bei Bestandsdaten ist gemäß § 5 Satz 2 TDDSG nur eine Auskunft an "Strafverfolgungsbehörden und Gerichte für Zwecke der Strafverfolgung" zulässig. Nach der Gesetzesbegründung regelt die Vorschrift abschließend die Erlaubnistatbestände, nach denen eine Verarbeitung der Bestandsdaten zulässig ist. Eine Auskunft an einen Dritten über Name und Anschrift des Nutzers ist eine nicht von § 5 Satz 2 TDDSG gedeckte Verarbeitung von Bestandsdaten, da sie nicht gegenüber den dort genannten Stellen erfolgt. Das Bekanntgeben an einen Dritten durch Übermittlung der Daten zählt gemäß § 3 Abs. 4 Nr. 3 lit. a BDSG zur Verarbeitung. Damit fehlt es in Bezug auf Bestandsdaten an einer Befugnisnorm zur Auskunft sowohl eines Hostproviders als auch eines Accessproviders.

5. Bei der Vorschrift des § 242 BGB handelt es sich nicht um eine "andere Rechtsvorschrift" im Sinne von § 3 Abs. 2 TDDSG, die eine Bekanntgabe von Daten an Dritte rechtfertigen könnte. Eine hinreichend normklare "andere Rechtsvorschrift" i.S.v. § 3 Abs. 2 TDDSG müsste sich ausdrücklich an den Diensteanbieter richten und die Zweckänderung legitimieren. Die Generalklausel des § 242 BGB genügt diesen Voraussetzungen nicht.

MIR 2006, Dok. 259


Anm. der Redaktion: Zu der Frage ob die IP-Adresse ebenfalls zu Bestandsdaten i.S.d. § 5 Satz 1 TDDSG zählt, führt das Gericht aus: "Ob es sich - wie das Landgericht angenommen hat - bei den IP-Adressen ebenfalls um Bestandsdaten handelt, kann dahinstehen. Denn eine Auskunft über Name und Anschriften der Nutzer auf Grundlage von der Beklagten bekanntgegebener IP-Adressen könnte die Klägerin nur von den jeweiligen Zugangsanbietern erhalten. Eine Identifizierung der Nutzer über die IP-Adresse wäre nur möglich, wenn diese Zugangsanbieter der Klägerin Auskunft über Bestandsdaten erteilten. Ohne diese weitere Information wäre die Kenntnis der IP-Adressen für die Klägerin wertlos".
Download: Entscheidungsvolltext PDF


Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 06.12.2006
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/477

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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