Rechtsprechung
BGH, Urteil vom 6.07.2006 - Az. I ZR 145/03
"Kunden werben Kunden" - Die Wettbewerbswidrigkeit des Einsatzes von Laien zur Werbung von Kunden folgt nicht schon aus der Gewährung nicht unerheblicher Werbeprämien, sondern setzt das Vorliegen sonstiger die Unlauterkeit begründender Umstände voraus. Ein solcher Umstand kann darin liegen, dass für die beworbenen Waren oder Dienstleistungen Werbeverbote bestehen.
UWG §§ 3, 4 Nr. 1, 7 Abs. 1; HWG § 7
Leitsätze:*1. Nach Aufhebung des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung folgt die Wettbewerbswidrigkeit des Einsatzes von Laien zur
Werbung von Kunden aufgrund des gewandelten Verbraucherleitbildes nicht schon aus der Gewährung nicht unerheblicher Werbeprämien,
sondern setzt das Vorliegen sonstiger die Unlauterkeit begründender Umstände voraus. Ein solcher Umstand kann darin liegen, dass
sich die Werbung auf Waren oder Dienstleistungen bezieht, für die besondere Werbeverbote bestehen (hier: Verbot von Zuwendungen bei Heilmitteln).
2. Aus § 4 Nr. 1 UWG folgt, dass eine Werbung, die sich nicht auf Sachangaben beschränkt,
nur dann unlauter ist, wenn sie geeignet ist, durch Ausübung unagemessen unsachlichen Einflusses die freie Entscheidung der Verbraucher
zu beeinträchtigen.
Die Anreizwirkung, die von einer nicht unerheblichen Prämie ausgeht, kann allein eine Wettbewerbswidrigkeit der Laienwerbung noch nicht
begründen.
Ebenso wenig ist Laienwerbung schon deshalb wettbewerbsrechtlich bedenklich, weil die Entscheidung des geworbenen Kunden dadurch
beeinflusst sein kann, dass für den Laienwerber eine nicht unerhebliche Prämie ausgesetzt ist, und zwischen der beworbenen Ware und der
angebotenen Werbeprämie ein sachlicher Zusammenhang nicht gegeben ist. Der Versuch einer gewissen unsachlichen Beeinflussung ist der Werbung
nicht fremd und auch nicht per se unlauter.
3. Werbung durch den Einsatz von Laien ist nur unzulässig, wenn andere Umstände als die ausgesetze Prämie als solche die Unlauterkeit
begründen. Dies kann der Fall sein, wenn die Gefahr einer Irreführung oder einer unzumutbaren Belästigung (vgl. § 7 Abs. 1 UWG) des
umworbenen Kunden durch den Laienwerber besteht, die Werbung auf eine Verdeckung des Prämieninteresses und damit auf eine Täuschung
über die Motive des Werbenden angelegt ist (sog. verdeckte Laienwerbung) oder sich auf Waren oder Dienstleistungen bezieht, für die besondere
Maßstäbe gelten. Maßgeblich ist aber immer eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls.
4. Ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher wird allein wegen der dem Laienwerber
versprochenen Werbeprämie in seiner Entscheidung darüber, ob für ihn eine Anschaffung überhaupt erforderlich ist und durch wen er sich
in dieser Hinsicht beraten lassen soll, nicht unangemessen unsachlich beinträchtigt.
5. Allein darin, dass der Laienwerber sich in erster Linie an Personen wenden wird, zu denen er in einer bestimmten Beziehung steht, und diese
sich einer solchen Werbemaßnahme möglicherweise weniger leicht entziehen können als den Werbeversuchen Fremder, liegt noch kein Umstand,
der die mit der Laienwerbung verbundene Belästigung als unzumutbar i.S. von § 7 Abs. 1 UWG erscheinen lässt. Ein solcher Belästigungsgrad ist
regelmäßig erst gegeben, wenn die Gefahr besteht, dass der Laienwerber zu Mitteln greift, die auch berufsmäßigen
Werbern verboten sind.
6. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Werbung im Gesundheitswesen ist im Interesse der Verbraucher ein strenger Maßstab anzulegen. Bezieht
sich eine Werbemaßnahme auf Gegenstände, die dem Werbeverbot des § 7 HWG unterliegen, ist die betreffende Maßnahme damit als unlautere
Wettbewerbshandlung unzulässig (§ 3 UWG; § 1 UWG a.F.) und deshalb als unangemessen unsachliche Einflussnahme i.S. von § 4 Nr. 1 UWG anzusehen.
7. Der Schutzzweck und die der Regelung des § 7 HWG zugrunde liegende selbständige Wertung des Gesetzgebers - die Verbraucher bei der Entscheidung,
ob und welches Heilmittel sie in Anspruch nehmen, nicht unsachlich durch die Aussicht auf Zugaben und Werbegaben zu beeinflussen - sind auch
im Rahmen des § 4 Nr. 1 UWG zu beachten.
MIR 2006, Dok. 154
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 13.09.2006
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/371
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