Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
OLG Köln, Urteil vom 11.02.2022 - 6 U 84/21
schlafbook.de - Der Anbieter eines Werbepartnerprogramms (hier Amazon) haftet nicht für Wettbewerbsverstöße durch einen Dritten bzw. selbstständigen Betreiber einer Internetseite, wenn keine Vorgaben über das Ob und Wie der Werbung gemacht wurden
ZPO § 524; Brüssel-Ia-VO Art. 7 Nr. 2; UWG § 8 Abs. 1, Abs. 2
Leitsätze:*1. Eine Anschlussberufung, mit der erreicht werden soll, dass eine Klage als unzulässig und nicht als unbegründet abgewiesen werden soll, ist unzulässig, wenn nicht im Einzelfall durch die Abweisung als unzulässig ein Mehr gegenüber der Abweisung als unbegründet erreicht werden soll.
2. Wird dargelegt, dass eine unerlaubte Handlung Verbraucher in Deutschland betreffen kann, ist die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO anzunehmen, ohne dass es darauf ankommt, ob die Handlung den Beklagten zugerechnet werden kann.
3. Eine Haftung des Anbieters eines Werbepartnerprogramms im Rahmen eines Online-Marktplatzes für Wettbewerbsverstöße, die durch einen Dritten als Betreiber einer selbstständigen Internetseite begangen wurden, besteht nach § 8 Abs. 2 UWG nicht, wenn keine Vorgaben über das Ob und Wie der Werbung gemacht wurden.
4. Die Handlung, deren Unterlassung gemäß § 8 Abs. 1, Abs. 2 UWG verlangt wird, muss innerhalb des Betriebsorganismus des Betriebsinhabers begangen worden sein, zu dem namentlich die Vertriebsorganisation und auch Werbung gehört. Weiter ist erforderlich, dass der Handelnde kraft eines Rechtsverhältnisses in diesen Organismus, zumal in die Vertriebsorganisation oder Werbung, dergestalt eingegliedert ist, dass einerseits der Erfolg seiner Handlung zumindest auch dem Betriebsinhaber zugutekommt und andererseits dem Betriebsinhaber ein bestimmender Einfluss jedenfalls auf diejenige Tätigkeit eingeräumt ist, in deren Bereich das beanstandete Verhalten fällt. Dabei kommt es nicht darauf an, welchen Einfluss sich der Betriebsinhaber gesichert hat, sondern welchen Einfluss er sich sichern konnte und musste (vgl. BGH, Urteil vom 07.04.2005 – I ZR 221/02 – Meißner Dekor II; GRUR 1995, 605 – Franchise-Nehmer). Als Beauftragte kommen grundsätzlich auch selbstständige Unternehmer in Betracht, wenn deren Handlungen dem Unternehmensinhaber zugutekommen und er auf das Verhalten einen bestimmenden und durchsetzbaren Einfluss hat (vgl. BGH, Urteil vom 25.04.2012 – I ZR 105/10 – DAS GROSSE RÄTSELHEFT, mwN). Die Mehrstufigkeit des Auftragsverhältnisses spricht nicht gegen die Annahme einer Beauftragung.
5. Eine Haftung als beauftragender Unternehmer im Rahmen einer entgeltlichen Weiterleitung auf die Seite des Auftraggebers ist nach der Entscheidung "Partnerprogramm" des BGH (Urteil vom 07.10.2009 - I ZR 109/06) anzunehmen, wenn durch die Vorgabe der Werbemittel ein bestimmender Einfluss auf die Werbepartner besteht und die Partner nicht selbst über das Setzen des Links entscheiden können und dabei die werbende Tätigkeit auf eine bestimmte Webseite beschränkt ist, die zuvor vertraglich bestimmt wurde (hier verneint).
6. Allein die Zahlung eines Entgelts für einen bestimmten Werbeerfolg führt nicht dazu, dass ein selbstständiger Unternehmer als in die Betriebsstruktur eine Unternehmens eingegliedert anzusehen ist, dass ein Werbepartnerprogramm betreibt (hier Amazon).
Das Gericht verweist in seiner Entscheidung auch auf die Rechtsprechung anderer Oberlandesgericht in vergleichbaren Fällen, in denen die Haftung von Amazon abgelehnt wurde, namentlich: OLG Karlsruhe, 13.05.2020 - 6 U 127/19 – Warehouse-Deals; OLG Hamburg, 20.08.2020 - 15 U 137/19 - Anti-Kartell-Matratze; OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.10.2020 – 20 U 176/20.
Der Senat hat die Revision für die Klägerin zugelassen, weil eine Abgrenzung zu der Entscheidung "Partnerprogramm" des BGH (Urteil vom 07.10.2009 - I ZR 109/06) erforderlich sei und die Entscheidung von der Entscheidung des KG (Beschluss vom 25.10.2019 - 5 W 175/19) abweiche.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 21.02.2022
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3159
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