Rechtsprechung // Wettbwerbsrecht
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 08.10.2021 - 6 W 83/21
Chlorhexamed - Zum Rechtsmissbrauch bei der getrenntem Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen gegen Konzernschwestergesellschaften und zur eingeschränkten Auslegung von § 14 Abs. 2 Satz 2 UWG
KosmetikVO Art. 19, Art 20; UWG § 3a, § 8, § 14 Abs. 2 Satz 2
Leitsätze:*1. Der getrennten Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen gegen Konzernschwestergesellschaften wegen einer Produktausstattung steht der Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht entgegen, wenn durch die Vollziehung der einstweiligen Verfügung gegen eine Gesellschaft im Ausland ein sachlicher Grund für ein getrenntes Vorgehen vorliegt.
2. § 14 Abs. 2 S. 2 UWG ist einschränkend dahingehend auszulegen, dass nur Zuwiderhandlungen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien erfasst sind.
3. Die Einschränkung des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung in § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UWG nimmt Rechtsstreitigkeiten wegen Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr und in Telemedien aus. Dies liegt auf einer Linie mit dem Ausschluss des Aufwendungsersatzanspruchs nach § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG und dem Vertragsstrafenausschluss nach § 13a Abs. 2 UWG. Genau aus diesem Grunde muss § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UWG auch in Übereinstimmung mit § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG in dem Sinne gelesen werden, dass die Einschränkung des Tatortgerichtsstands nur bei Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten gilt. Dies entspricht nicht nur dem erklärten Willen des Gesetzgebers, sondern folgt auch aus dem systematischen Zusammenhang mit §§ 13 Abs. 4 Nr. 1, 13a Abs. 2 UWG. Schließlich entspricht auch nur diese Auslegung dem Sinn und Zweck der genannten Regelungen, die allein Missbrauchsfälle erfassen sollen. Anderenfalls wäre der Tatortgerichtsstand auch in zahllosen „Normalfällen“ beseitigt, zumal heute Vertrieb und Werbung in den meisten Branchen nebeneinander analog und digital erfolgen.
4. Lobt die Werbung für ein Kosmetikum die effektive "Beseitigung" von Plaque-Bakterien aus, so liegt eine Irreführung des Verkehrs vor, wenn tatsächlich die Bakterienzahl nur reduziert wird.
Zur Auslegung von § 14 Abs. 2 Satz 3 UWG n.F. bemerkt das Gericht: „Im Gegenteil ist die Annahme des Landgerichts, die Einschränkung des „fliegenden“ Gerichtsstandes in § 14 Abs. 2 Satz 3 UWG n.F. sei einschränkend auszulegen, eine in Literatur und Rechtsprechung stark vertretene, wenn nicht sogar die herrschende Meinung, der auch der Senat folgt (LG Düsseldorf, Beschluss vom 26.2.2021 - 38 O 19/21 - Schutz vor doppelten Kosten; Wagner/Kefferpütz WRP 2021, 151 Rn 35 ff.; Lerach jurisPR-WettbR 3/2021 Nr. 5; a.A. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.02.2021 - I-20 W 11/21, MIR 2021, Dok. 016).“
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 02.11.2021
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3128
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