Rechtsprechung // Verfahrensrecht
BGH, Urteil vom 16.03.2021 - X ZR 9/20
Abweichende Betriebsstätte im Impressum einer Website - Zur Zuständigkeit deutscher Gerichte wegen Angabe einer deutschen Betriebstätte und Verwendung der Toplevel-Domain ".de" und der deutschen Sprache
Brüssel-Ia-VO Art. 7 Nr. 5
Leitsätze:*1. Eine Zweigniederlassung im Sinne von Art. 7 Nr. 5 Brüssel-Ia-VO setzt einen Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit voraus, der auf Dauer als Außenstelle des Stammhauses hervortritt, eine Geschäftsführung hat und sachlich so ausgestattet ist, dass sich Dritte zum Betreiben von Geschäften nicht unmittelbar an das Stammhaus zu wenden brauchen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 11.04.2019 - C-464/18 - Ryanair; EuGH, Urteil vom 25.02.2021 - C-804/19 - Markt24).
2. § 5 Abs. 1 TMG (der der Umsetzung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über den elektronischen Geschäftsverkehr dient) schreibt unter anderem vor, dass die Anbieter von Telemediendiensten für geschäftsmäßige, in der Regel gegen Entgelt angebotene Telemedien bestimmte Informationen leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar halten. Zu diesen Angaben gehören nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 TMG insbesondere der Name des Diensteanbieters und die Anschrift, unter der er niedergelassen ist. Die Regelung dient dem Zweck, für den Nutzer ein Mindestmaß an Transparenz und Information über die Person oder Personengruppe sicherzustellen, die ihm einen Teledienst anbietet; auf diese Weise soll insbesondere im Konfliktfall auch ein Anknüpfungspunkt für eine Rechtsverfolgung bestehen. Angesichts dieser Zwecksetzung ist die im Impressum angegebene Stelle im Geschäftsverkehr grundsätzlich als diejenige Stelle anzusehen, die die beworbene Dienstleistung anbietet und die maßgeblichen Vertragserklärungen abgibt oder entgegennimmt. Die Angaben zum Anbieter können ihren Zweck nur dann erfüllen, wenn der angesprochene Nutzer sich darauf verlassen kann, dass ihm die angegebene Stelle als Anbieter und Vertragspartner gegenübertritt.
3. Die Verwendung der Toplevel-Domain ".de" und der deutschen Sprache deutet aus Sicht des Kunden darauf hin, dass sich das Angebot auf der genannten Website an Interessenten in Deutschland richtet. Wenn vor diesem Hintergrund eine vorhandene Betriebsstätte als "A. in Deutschland" bezeichnet wird, darf ein Kunde dies dahin verstehen, dass diese Betriebsstätte die anbietende Stelle ist.
4. Die Angabe einer vom Hauptsitz abweichenden Betriebsstätte im Impressum einer Website darf ein Kunde, der über diese Website ein Vertragsangebot abgibt, in der Regel dahin verstehen, dass die angegebene Stelle im Namen des Stammhauses die Leistungen anbietet, Vertragsangebote entgegennimmt und gegebenenfalls deren Annahme erklärt.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 04.08.2021
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3105
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
BGH, Urteil vom 11.02.2021 - I ZR 227/19, MIR 2021, Dok. 019
Bitte keine Werbung! - Kein Unterlassungsanspruch beim Einwurf nicht personalisierter Werbepost, wenn kein Hinweisschild am Briefkasten angebracht ist
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 20.12.2019 - 24 U 57/19, MIR 2020, Dok. 023
Influencerwerbung bei Instagram - Die Kennzeichnung von Werbung mit dem Hashtag #ad am Ende eines Posts in sozialen Medien ist nicht ausreichend
OLG Celle, Urteil vom 08.06.2017 - 13 U 53/17, MIR 2017, Dok. 034
schlafbook.de - Der Anbieter eines Werbepartnerprogramms (hier Amazon) haftet nicht für Wettbewerbsverstöße durch einen Dritten bzw. selbstständigen Betreiber einer Internetseite, wenn keine Vorgaben über das Ob und Wie der Werbung gemacht wurden
OLG Köln, Urteil vom 11.02.2022 - 6 U 84/21, MIR 2022, Dok. 016
Vorratsdatenspeicherung - Allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten nach deutschem TKG unzulässig
EuGH, MIR 2022, Dok. 069