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Kurz notiert // Zivilrecht



Bundesgerichtshof

Keine entsprechende Anwendung von § 656 Abs. 1 BGB auf einen Online-Partnervermittlungsvertrag

BGH, Urteil vom 17.06.2021 - III ZR 125/19; Vorinstanzen: AG Hamburg, 07.01.2019 - 16 C 76/18; LG Hamburg, 30.08.2019 - 320 S 20/19

MIR 2021, Dok. 049, Rz. 1


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Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 17.06.2021 (III ZR 125/19) entschieden, dass § 656 Abs. 1 BGB, nach dem durch einen Heiratsvermittlungsvertrag ein Vergütungsanspruch des Vermittlers nicht begründet wird, auf einen Online-Partnervermittlungsvertrag nicht entsprechend anwendbar ist.

Zur Sache:

Die Beklagte betreibt eine Online-Partnervermittlung. Die Klägerin erwarb eine sogenannte Premium-Mitgliedschaft mit einer Laufzeit von 12 Monaten zum Preis von EUR 265,68 und wurde ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt. Sie forderte die Beklagte auf, sofort mit der Ausführung der Leistungen zu beginnen. Daraufhin erhielt die Klägerin ein zum Leistungsumfang gehörendes, automatisiert auf der Basis von Logarithmen erstelltes "Persönlichkeitsgutachten" sowie Partnervorschläge und konnte die Plattform vollumfänglich nutzen. Einen Tag später erklärte die Klägerin den Widerruf. Die Beklagte bestätigte diesen und machte zugleich einen Anspruch auf Wertersatz für bis zur Erklärung des Widerrufs erbrachte Leistungen in Höhe von EUR 199,26 geltend.

Die Klägerin begehrt u.a. die Feststellung, dass sie nicht verpflichtet sei, an die Beklagte Wertersatz zu zahlen. Sie macht insbesondere geltend, dass in entsprechender Anwendung des § 656 Abs. 1 Satz 1 BGB durch den Vertrag ein Vergütungsanspruch der Beklagten nicht habe begründet werden können.

Das Amtsgericht hat festgestellt, dass die Klägerin nicht verpflichtet sei, an die Beklagte EUR 197,80 zu zahlen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht diesen Feststellungsausspruch auf EUR 49,62 reduziert. Im Übrigen sind die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin ohne Erfolg geblieben.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Anspruch auf Wertersatz dem Grunde nach

Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Amtsgerichts wiederhergestellt.

Allerdings stehe der Beklagten dem Grunde nach ein Anspruch auf Wertersatz zu. Durch den Abschluss des Vertrages mit der Klägerin habe die Beklagte einen Vergütungsanspruch erlangt, so dass auch ein Anspruch auf Ersatz des Wertes ihrer Leistungen gemäß § 351 Abs. 8 Satz 1 BGB begründet werden könnte, ohne dass es darauf ankomme, dass die Klägerin die Vergütung noch nicht gezahlt hatte. § 656 Abs. 1 BGB stehe dem nicht entgegen, denn die Norm ist auf diesen Vertrag nicht anwendbar.

§ 656 Abs. 1 BGB hier nicht anwendbar

§ 656 Abs. 1 BGB bestimme, dass durch das Versprechen eines Lohnes für den Nachweis der Gelegenheit zur Eingehung einer Ehe oder für die Vermittlung des Zustandekommens einer Ehe eine Verbindlichkeit nicht begründet wird, das auf Grund des Versprechens Geleistete jedoch nicht deshalb zurückgefordert werden könne, weil eine Verbindlichkeit nicht bestanden habe. Der Bundesgerichtshof hat eine entsprechende Anwendung der Vorschrift zunächst auf den Eheanbahnungs- und schließlich auf den Partnerschaftsanbahnungsvertrag angenommen. Nach dem Zustandekommen der Ehe oder Partnerschaft würde die Honorarklage aus solchen Verträgen die Intimsphäre der Kunden ebenso beeinträchtigt, wie bei einer Klage auf den sogenannten Ehemäklerlohn. Gerichtliche Auseinandersetzungen seien vor allem dann zu erwarten, wenn die Bemühungen des Vermittlers erfolglos geblieben seien, so dass häufig mit dem Einwand zu rechnen sei, der Vermittler habe seine vertraglichen Pflichten nicht gehörig erfüllt, indem er auf die in Frage kommenden Partner nicht intensiv genug eingewirkt oder Personen benannt habe, die überhaupt nicht an einer Partnerschaft interessiert oder als Partner nicht geeignet seien.

Der BGH meint, diese Gründe gelten für den verfahrensgegenständlichen Vertrag über eine "Online-Partnervermittlung" jedoch nicht. Dort bestehe die Leistungspflicht der Beklagten vor allem darin, ihren Kunden einen unbeschränkten Zugang zu der von ihr betriebenen Plattform zu gewähren, auf der diese aus eigener Initiative einen Kontakt zu möglichen Partnern herstellen können. Zwar stelle auch die Beklagte ihren Kunden Partnervorschläge zur Verfügung. Diese beruhen aber allein auf einem elektronischen Abgleich der nicht näher überprüften eigenen Angaben der Kunden. Eine individuelle, persönliche Auswertung finde nicht statt. Auch eine Gewähr für die Richtigkeit dieser Angaben und damit für die Qualität der Vorschläge übernehme die Beklagte nicht. Es bestünden daher keine Anhaltspunkte dafür, dass durch einen Rechtsstreit über den Vergütungsanspruch der Beklagten in die Intimsphäre ihrer Kunden in einer Weise eingegriffen würde, die vergleichbar mit der Situation bei einem herkömmlichen Partnerschaftsvermittlungsvertrag wäre. Gleiches gelte für das sogenannte Persönlichkeitsgutachten, das ebenfalls automatisiert erstellt werde.

Taggenau: Wertersatz EUR 1,46

Der Anspruch der Beklagten auf Wertersatz für die von ihr erbrachten Leistungen aus § 357 Abs. 8 Satz 1 BGB betrage jedoch lediglich EUR 1,46. Der Wertansatz sei aus den bereits im Urteil des Senats vom 06.05.2021 - III ZR 169/20 dargelegten Gründen zeitanteilig zu berechnen. Nach diesen Vorgaben belaufe sich der Anspruch der Beklagten auf Wertersatz auf den genannten Betrag (EUR 265,68 : 365 x 2 = EUR 1,46 ).

(tg) - Quelle: PM Nr. 111/2021 des BGH vom 17.06.2021

Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 17.06.2021
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3090
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