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Kurz notiert // Wettbewerbsrecht



Oberlandesgericht Karlsruhe

Tap-Tags in Instagram Posts - Influencerin muss (unbezahlte) Werbung fĂŒr andere Unternehmen kenntlich machen

OLG Karlsruhe, Urteil vom 09.09.2020 - 6 U 38/19 (nicht rechtskrÀftig); Vorinstanz: LG Karlsruhe, Urteil vom 21.03.2019 - 13 O 38/18 KfH

MIR 2020, Dok. 073, Rz. 1


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Das Oberlandesgerichts Karlsruhe hat mit Urteil vom 09.09.2020 (6 U 38/19) zu der (in der obergerichtlichen Rechtsprechung weithin umstrittenen) Frage Stellung genommen, ob und gegebenenfalls wann eine Influencerin ihre BeitrÀge auf Instagram als Werbung kennzeichnen muss. Ein vorangegangenes Urteil des Landgerichts Karlsruhe wurde bestÀtigt. Das Landgericht hatte eine wettbewerbsrechtliche Pflicht zu einer solchen Kennzeichnung im vorliegenden Fall angenommen. Das Oberlandesgericht vertritt damit eine recht restriktive Linie, was die Werbekennzeichnung von und in Instagramposts angeht.

FĂŒhrt jedwede Verwendung von "Tap-Tags" schon zur Kennzeichnunspflicht?

In dem hiesigen Verfahren habe - so das Gericht - allerdings nicht die allgemeine Frage nach einer Pflicht zur Kennzeichnung sĂ€mtlicher Posts der beklagten Influencerin zur Entscheidung gestanden. Vielmehr ging es ausschließlich darum, ob eine solche Kennzeichnung erforderlich ist, wenn sogenannte "Tap Tags" verwendet werden, die zu den Seiten anderer Unternehmen fĂŒhren. "Tap Tags" sind (nach den AusfĂŒhrungen des Gerichts) anklickbare Bereiche innerhalb eines geposteten Bildes, die Links zu den Anbietern oder Herstellern bestimmter Produkte, etwa der auf dem Bild zu sehenden KleidungsstĂŒcke oder anderen GegenstĂ€nde enthalten.

ZunÀchst: Reine "Tap-Tag-Posts" als geschÀftliche Handlung?

ZunĂ€chst war zu klĂ€ren, ob Instagram-Posts der Beklagten mit solchen "Tap Tags" ĂŒberhaupt geschĂ€ftliche Handlungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG) sind. Die Beklagte hatte die Ansicht vertreten, es handele sich lediglich um private MeinungsĂ€ußerungen und die "Tap Tags" seien nur eingefĂŒgt, um Anfragen ihrer Follower zuvorzukommen.

Dem folgte der erkennende Senat jedoch nicht, sondern hat dieses Vorgehen bei einem Instagram-Business-Account, wie ihn die Beklagte unterhÀlt, als geschÀftliche Handlung angesehen. Der erforderliche Unternehmensbezug sei sowohl im Hinblick auf den eigenen Gewerbebetrieb der Beklagten als Influencerin als auch im Hinblick auf die "getaggten" Unternehmen gegeben. Der daneben erforderliche Marktbezug liege ebenfalls vor, denn die Posts dienten sowohl der Aufwertung des Images der Beklagten und damit der Steigerung des Werts der von ihr angebotenen Dienstleistungen als auch der Förderung des fremden Absatzes, also den "getaggten" Unternehmen.

Kommerzieller Zweck hier kennzeichnungspflichtig?

Sodann hatte das Gericht die Frage zu beantworten, ob die Beklagte durch das Setzen von "Tap Tags" in mehreren Posts ohne Kennzeichnung ihres kommerziellen Zwecks gegen das Verbot der unzulĂ€ssigen getarnten Werbung gemĂ€ĂŸ § 5a Abs. 6 UWG verstoßen hatte. Dies bejahte der erkennende Senat und nahm insoweit einen Wettbewerbsverstoß an.

Restriktive Differenzierung: Jedweder auch nur denkbare (sei es auch der plattform- oder systemimmanente) "kommerzielle Zweck" fĂŒhrt zur Kennzeichnungspflicht

Der kommerzielle Zweck der "Tap Tags" ergebe sich in der Wahrnehmung der Verbraucher nicht bereits unmittelbar aus den UmstĂ€nden. Zwar sei den Followern klar, dass die Influencerin poste, um eigene wirtschaftliche Interessen zu verfolgen. Anderes gelte jedoch fĂŒr den weiteren kommerziellen Zweck, zugunsten anderer Unternehmen tĂ€tig zu sein und den Absatz derer Produkte zu fördern. Die Influencerin werde von den Mitgliedern der "Community" bis zu einem bestimmten Punkt als "authentisch" und "eine von ihnen" wahrgenommen. Die wettbewerbliche GefĂ€hrdungslage resultiere gerade aus der Gemengelage von diesem privaten Erscheinungsbild einerseits und von Drittinteressen beeinflussten Kommunikationselementen andererseits. Diese Intransparenz begrĂŒnde eine Pflicht zur Klarstellung, an welchen Stellen objektiv fremder Wettbewerb gefördert werde, und zwar unabhĂ€ngig davon, ob die Influencerin fĂŒr den Einsatz von "Tap Tags" Zahlungen erhĂ€lt.

Die Oberlandesgerichte sind sich nicht einig: Revision zugelassen

Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde zugelassen. Die Frage, inwiefern das Setzen von "Tap Tags", die nicht als Werbung gekennzeichnet sind, in Instagram-Posts von Influencern unlauter sein kann, sei im Hinblick auf divergierende Rechtsprechung mehrerer Oberlandesgerichte zur Werbekennzeichnung von Instagram-Postings allgemein eine höchstrichterlich klĂ€rungsbedĂŒrftige Rechtsfrage.

Hoffnung BGH?

Das der Bundesgerichtshof diese Rechtsfrage praxisbezogen und (rechtlich) ausgewogen wird beantworten können, ist nicht unbedingt zu hoffen. Der "Rettungsanker" Restriktion macht sich nicht nur in der oftmals hier oppositionell geprÀgten Instanzrechtsprechung und Literatur/Lehre bemerkbar. Der mutige Schritt zur differenzierten Kriterienbildung und technisch-evolutionellen Offenheit fÀllt wohl auch dem oberen Ende des Instanzenzugs zunehmend schwer.

(tg) - Quelle: PM Nr. 18/20 des OLG Karlsruhe vom 09.09.2020/eigene Bearbeitung

Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 10.09.2020
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3014
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