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Rechtsprechung // Markenrecht



BGH, Beschluss vom 23.07.2020 - I ZB 42/19

Quadratische Tafelschokoladenverpackung II - Das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG bezieht sich auch auf Warenformen, die wesentliche funktionelle Eigenschaften aufweisen

MarkenG § 3 Abs. 2 Nr. 3, § 54 Abs. 2

Leitsätze:*

1.

a) Aus § 54 Abs. 2 MarkenG geht nicht hervor, dass im Markenlöschungsverfahren eine Erweiterung des Streitgegenstands um weitere Löschungsgründe unzulässig ist. Ist bereits ein Löschungsverfahren anhängig und werden weitere Löschungsgründe geltend gemacht, werden diese vielmehr unter den Voraussetzungen der entsprechend anwendbaren Regelung des § 263 ZPO Gegenstand des laufenden Verfahrens, ohne ein neues Löschungsverfahren in Gang zu setzen. Den nachgeschobenen Löschungsgründen muss daher auch nicht innerhalb von zwei Monaten widersprochen werden, um eine Löschung zu verhindern.

b) Das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG bezieht sich nicht nur auf die Form von Waren, die einen rein künstlerischen oder dekorativen Wert haben, sondern auch auf Warenformen, die außer einem bedeutenden ästhetischen Element auch wesentliche funktionelle Eigenschaften aufweisen.

c) Das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG liegt vor, wenn aus objektiven und verlässlichen Gesichtspunkten hervorgeht, dass die Entscheidung der Verbraucher, die betreffende Ware zu kaufen, in hohem Maße dadurch bestimmt wird, dass die Form der Ware einen wesentlichen Wert verleiht. Es kommt nicht darauf an, ob die Form der Ware für den Markeninhaber einen besonderen wirtschaftlichen Wert hat, weil sie sich im Verkehr als Hinweis auf die Herkunft der Ware durchgesetzt hat.

d) Bei der Entscheidung, ob dieses Schutzhindernis vorliegt, ist die Verkehrsauffassung kein entscheidender Faktor. Maßgeblich sind vielmehr Beurteilungskriterien, wie die Art der in Rede stehenden Warenkategorie, der künstlerische Wert der fraglichen Form, ihre Andersartigkeit im Vergleich zu anderen auf dem jeweiligen Markt allgemeingenutzten Formen, ein bedeutender Preisunterschied gegenüber ähnlichen Produkten oder die Ausarbeitung einer Vermarktungsstrategie, die hauptsächlich die ästhetischen Eigenschaften der jeweiligen Ware herausstreicht.

2.

Der Begriff "Form, die der Ware einen wesentlichen Wert verleiht" ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht auf die Form von Waren beschränkt, die einen rein künstlerischen oder dekorativen Wert haben, da anderenfalls die Gefahr bestünde, dass Warenformen nicht erfasst würden, die außer einem bedeutenden ästhetischen Element auch wesentliche funktionelle Eigenschaften aufweisen. Damit aber würde dem Markeninhaber ein Monopol auf die wesentlichen Eigenschaften der Waren gewährt, wodurch dieses Eintragungshindernis seinen Zweck nicht mehr voll erfüllen könnte (EuGH, Urteil vom 18.09.2014 - C-205/13 - MIR 2014, Dok. 098 - Hauck, Rn. 32). Das Eintragungshindernis ist daher auf ein Zeichen anwendbar, das ausschließlich aus der Form einer Ware mit mehreren Eigenschaften, die ihr in unterschiedlicher Weise jeweils einen wesentlichen Wert verleihen können, besteht (EuGH, Urteil vom 18.09.2014 - C-205/13 - MIR 2014, Dok. 098 - Hauck, Rn. 35).

MIR 2020, Dok. 067


Anm. der Redaktion: Leitsätze 1 a) bis d) sind die amtlichen Leitsätzes des Gerichts.
Download: Entscheidungsvolltext PDF

Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 18.08.2020
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3008

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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