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Rechtsprechung // Verfahrensrecht



BGH, Beschluss vom 28.04.2020 - X ZR 60/19

Berufungsbegründung durch Patentanwalt - Wenn das Fax unverschuldet streikt muss der Patentanwalt nicht nach einem Rechtsanwalt mit beA suchen

ZPO § 233; PatG § 113 Satz 1

Leitsätze:*

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dürfen Verfahrensbeteiligte die ihnen vom Gesetz eingeräumten prozessualen Fristen bis zu ihrer Grenze ausnutzen (vgl. nur BGH, Urteil vom 25.11.2004 - VII ZR 320/03).

2. Bei einer Übermittlung per Telefax hat der Versender mit der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan, wenn er so rechtzeitig mit der Übermittlung begonnen hat, dass unter normalen Umständen mit ihrem Abschluss vor 0 Uhr zu rechnen gewesen ist. Das ist in der Regel der Fall, wenn eine Übermittlungszeit von dreißig Sekunden pro Seite angesetzt wird (BGH, Urteil vom 25.11.2004 - VII ZR 320/03; BGH, Beschluss vom 27.09.2018 - IX ZB 67/17) und der sich daraus ergebende Wert im Hinblick auf die Möglichkeit einer anderweitigen Belegung des Empfangsgeräts sowie schwankende Übertragungsgeschwindigkeiten um einen Sicherheitszuschlag von etwa zwanzig Minuten erhöht wird (BGH, Beschluss vom 17.05.2004 - II ZB 22/03; BGH, Beschluss vom 19.12.2017 - XI ZB 14/17). Hat der Versender diese Vorgaben eingehalten, trifft ihn kein Verschulden, wenn die Übermittlung wegen technischer Störungen am Empfangsgerät oder auf dem Übermittlungsweg einen längeren Zeitraum beansprucht (BGH, Beschluss vom 27.09.2018 - IX ZB 67/17). Allerdings darf er angezeigte Störungen nicht vorschnell zum Anlass nehmen, von weiteren Sendeversuchen abzusehen. Vielmehr ist er gehalten, ihm erkennbar gewordene Übermittlungsfehler bis zum Fristablauf zu beheben und zumindest weitere Übermittlungsversuche zu unternehmen, um auszuschließen, dass die Übermittlungsschwierigkeiten in seinem Bereich liegen (BGH, Beschluss vom 11.01.2011 - VIII ZB 44/10).

3. Ein Patentanwalt, der kurz vor Ablauf der dafür maßgeblichen Frist feststellt, dass die Telefax-Übermittlung einer Berufungsbegründung in einem Patentnichtigkeitsverfahren wegen nicht von ihm zu vertretender technischer Probleme voraussichtlich scheitern wird, ist nicht verpflichtet, nach einem Rechtsanwalt zu suchen, der den Versand für ihn über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) vornehmen kann.

MIR 2020, Dok. 052


Anm. der Redaktion: Leitsatz 3 ist der amtliche Leitsatz des Gerichts.

Das Gericht führt zum beA weiterhin bemerkenswert aus: "Dieses Medium [beA] steht zwar gemäß § 31a Abs. 1 BRAO jedem Rechtsanwalt zur Verfügung. Die relativ hohe Zahl an Störungsmeldungen, die für dieses System veröffentlicht werden, begründet aber Zweifel daran, ob es in seiner derzeitigen Form eine höhere Gewähr für eine erfolgreiche Übermittlung kurz vor Fristablauf bietet als ein Telefax-Dienst."
Download: Entscheidungsvolltext PDF

Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 23.06.2020
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2993

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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