Rechtsprechung // Verfahrensrecht
BGH, Urteil vom 22.03.2016 - I ZB 44/15
Gestörter Musikvertrieb - Unzutreffende Belehrung über das für das Rechtsmittelverfahren zuständige Gericht (hier: Urheberrechtsstreitsache) geht nicht zu Lasten der Parteien
ZPO §§ 233, 519 Abs. 1, § 520 Abs. 3 Satz 1; UrhG § 104 Satz 1, § 105 Abs. 1; ZivilZustV RP § 6 Abs. 2
Leitsätze:*1. Urheberrechtsstreitsachen sind nach der Legaldefinition des § 104 Satz 1 UrhG alle Rechtsstreitigkeiten, durch die ein Anspruch aus einem der im Urheberrechtsgesetz geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird. Zweck der Konzentration von Urheberrechtsstreitsachen auf den ordentlichen Rechtsweg (§ 104 Satz 1 UrhG) und der Ermächtigung zur Konzentration solcher Streitsachen bei bestimmten Amtsgerichten (§ 105 Abs. 2 UrhG) und Landgerichten (§ 105 Abs. 1 UrhG) ist die besondere Sachkunde des auf Urheberrechtsstreiten spezialisierten Gerichts (BGH, Beschluss vom 17.01.2013 - I ZR 194/12 mwN). Wegen dieses Zwecks ist der Begriff der Urheberrechtsstreitsache weit auszulegen (BGH, Beschluss vom 17.01.2013 - I ZR 194/12). Unter den Begriff fallen daher außer Streitigkeiten über Anspruchsgrundlagen aus dem Urheberrechtsgesetz, aus dem Urheberrechtswahrnehmungsgesetz und aus dem Verlagsgesetz auch Streitigkeiten über Angelegenheiten aus anderen Gesetzen oder Rechtsquellen, die unter Anwendung der genannten drei Gesetze zu entscheiden sind, so dass urheberrechtlichen Rechtsquellen zumindest mittelbare Relevanz zukommt (vgl. BGH, Beschluss vom 17.01.2013 - I ZR 194/12; BGH, Beschluss vom 04.03.2004 - I ZR 50/03).
2. Nach diesem Maßstab handelt es sich auch um eine Urheberrechtsstreitsache, wenn unter dem Gesichtspunkt eines - schuldhaften - Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ein Anspruch auf Ersatz entstandener Rechtsanwaltskosten wegen einer unberechtigten - urheberrechtlichen - Abmahnung geltend gemacht wird.
3. Besteht für eine Rechtsmittelzuständigkeit eine landesgesetzliche Konzentration nach § 105 UrhG für Urheberrechtsstreitsachen und erteilt das erstinstanzliche Gericht eine unzutreffende Belehrung über das für das Rechtsmittelverfahren zuständige Gericht, kann die Partei bei dem in der Rechtsmittelbelehrung angeführten Gericht fristwahrend Rechtsmittel einlegen, auch wenn dessen Zuständigkeit für das Rechtsmittelverfahren tatsächlich nicht gegeben ist.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 10.05.2016
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2772
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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