Kurz notiert // Urheberrecht
Bundesgerichtshof
Werbung für den Erwerb eines Werkes betrifft urheberrechtliches Verbreitungsrecht
BGH, Urteil vom 05.11.2015 - I ZR 91/11 - Marcel-Breuer-Möbel II; Verfahrensgang: EuGH, 13.05.2015 - C-516/13 - Dimensione und Labianca/Knoll; BGH, 01.04.2013 - I ZR 91/11 - Marcel-Breuer-Möbel I; OLG Hamburg, 27.04.2011 - 5 U 26/09; LG Hamburg, 02.01.2009 - 308 O 255/07
BGH, Urteil vom 05.11.2015 - I ZR 76/11 - Wagenfeld-Leuchte II; Verfahrensgang: OLG Hamburg, 30.03.2011 - 5 U 207/08; LG Hamburg, 12.09.2008 - 308 O 506/05
BGH, Urteil vom 05.11.2015 - I ZR 88/13 - Al Di Meola; Verfahrensgang: LG Hamburg, 26.04.2013 - 308 S 11/12; AG Hamburg, 13.09.2012 - 35a C 159/12
MIR 2015, Dok. 081, Rz. 1
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Der Bundesgerichtshof hat mit Urteilen vom 05.11.2015 (I ZR 91/11, I ZR 76/11 und I ZR 88/13) entschieden, dass das urheberrechtliche Verbreitungsrecht (vgl. § 17 UrhG) das Recht umfasst, das Original oder Vervielfältigungsstücke eines Werkes der Öffentlichkeit zum Erwerb anzubieten. Eine Internetwerbung, die darauf abziele, deutsche Verbraucher zum Erwerb nicht autorisierter Vervielfältigungsstücke von Werken aus dem Ausland anzuregen (hier: Replika von bekannten Designmöbeln und Leuchten sowie Schwarzpressungen der Aufführung eines Gitarristen) sei daher rechtswidrig.
Zur Sache:
Replika: Designmöbel von Marcel Breuer und Ludwig Mies van der Rohe
Die Klägerin im Verfahren I ZR 91/11 ist Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an Möbeln nach Entwürfen von Marcel Breuer und Ludwig Mies van der Rohe. Die Beklagte ist eine in Italien ansässige Gesellschaft, die europaweit Designmöbel im Direktvertrieb vermarktet. Sie wirbt auf ihrer in deutscher Sprache abrufbaren Internetseite und in Deutschland erscheinenden Tageszeitungen, Zeitschriften und Werbeprospekten für den Kauf ihrer Möbel mit dem Hinweis: "Sie erwerben Ihre Möbel bereits in Italien, bezahlen aber erst bei Abholung oder Anlieferung durch eine inkassoberechtigte Spedition (wird auf Wunsch von uns vermittelt)". Zu den Möbeln gehören auch Nachbildungen der von Marcel Breuer entworfenen Möbel. Die Klägerin sieht in der Werbung der Bekalgten eine Verletzung des Rechts des Urhebers nach § 17 Abs. 1 Fall 1 UrhG, Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten und nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom BGH zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Replika: Wagenfeld-Leuchte
Im Verfahren I ZR 76/11 ist Klägerin die Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an Leuchten nach Entwürfen von Prof. Wilhelm Wagenfeld. Sie produziert und vertreibt die sogenannte "Wagenfeld-Leuchte". Bei der Beklagten handelt es sich um das auch im Verfahren I ZR 91/11 beklagte Unternehmen. Sie bringt Nachbildungen der Wagenfeld-Leuchte auf den Markt. Sie wirbt deutschsprachig im Internet und in Printmedien unter wörtlicher oder bildlicher Bezugnahme auf die Wagenfeld-Leuchte mit der Möglichkeit des Bezugs einer derartigen Leuchte in Italien. Die Werbung enthält den Hinweis, dass deutsche Kunden die Leuchte unmittelbar oder zu Händen eines Spediteurs zur Mitnahme nach Deutschland übereignet erhalten können. Die Klägerin sieht hierin ebenfalls einen Eingriff in das Verbreitungsrecht nach § 17 Abs. 1 Fall 1 UrhG und nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch. Nachdem das Landgericht hat der Klage stattgegeben hat, ist die Berufung der Beklagten ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Schwarzpressung: Gitarrist "Al Di Meola"
Die Beklagte im Verfahren I ZR 88/13 betreibt im Internet einen Tonträgerhandel. Am 30.11.2011 war auf der Internetverkaufsseite der Beklagten die DVD "Al Di Meola - In Tokio (Live)" eingestellt. Die auf der DVD befindliche Aufnahme war vom aufführenden Künstler Al Di Meola nicht autorisiert worden. Es handelt sich um eine sogeannte Schwarzpressung. Die Klägerin mahnte die Beklagte im Auftrag des Künstlers ab. Sie ist der Ansicht, das Anbieten der DVD verletze das Verbreitungsrecht des ausübenden Künstlers aus § 77 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 UrhG. Die Beklagte entfernte darauf zwar das Angebot von ihrer Internetseite und gab eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab; sie weigerte sich jedoch, die Kosten der Abmahnung zu erstatten. Die Klägerin nimmt die Beklagte daher auf Erstattung der Abmahnkosten in Anspruch. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung hatte keinen Erfolg. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ebenfalls ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs: Werbung für den Erwerb eines Vervielfältigungsstücks eines Werkes kann Verbreitungsrecht verletzen
Der Bundesgerichtshof hat die Revision in allen drei Verfahren zurückgewiesen. Da es sich bei dem Verbreitungsrecht des Urhebers um nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG harmonisiertes Recht handelt, sei die Bestimmungen der § 17 Abs. 1 UrhG richtlinienkonform auszulegen. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf Vorlage des Bundesgerichtshofs entschieden, Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG sei dahin auszulegen, dass der Inhaber des ausschließlichen Verbreitungsrechts an einem geschützten Werk Angebote zum Erwerb oder gezielte Werbung in Bezug auf das Original oder auf Vervielfältigungsstücke des Werkes auch dann verbieten könne, wenn nicht erwiesen sein sollte, dass es aufgrund dieser Werbung zu einem Erwerb des Schutzgegenstands durch einen Käufer aus der Union gekommen sei, sofern die Werbung die Verbraucher des Mitgliedstaats, in dem das Werk urheberrechtlich geschützt sei, zu dessen Erwerb anrege. Entsprechendes gelte für den Inhaber des ausschließlichen Rechts des ausübenden Künstlers nach § 77 Abs. 2 Satz 1 UrhG (Art. 9 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2006/115/EG), den Bild- oder Tonträger, auf den die Darbietung des ausübenden Künstlers aufgenommen worden ist, zu verbreiten.
Werbung soll gezielt Verbraucher in Deutschland zum Erwerb anregen - tatsächlicher Erwerb nicht erforderlich
Danach verletze die beanstandete Werbung in den Verfahren I ZR 91/11 und I ZR 76/11 das ausschließliche Recht zur Verbreitung von Vervielfältigungsstücken der in Deutschland als Werke der angewandten Kunst geschützten Modelle der Möbel von Marcel Breuer, Ludwig Mies van der Rohe und der Wagenfeld-Leuchte. Bei der Werbung handele es sich um eine gezielte Werbung in Bezug auf Vervielfältigungsstücke der Möbelmodelle und des Leuchtenmodells, die die Verbraucher in Deutschland zu deren Erwerb anregt. Sie könne daher auch dann verboten werden, wenn es aufgrund der betreffenden Werbung nicht zu einem Erwerb solcher Möbel durch Käufer aus der Union gekommen sein sollte.
In dem Verfahren I ZR 88/13 stelle das Einstellen der DVD auf einer Internetverkaufsplattform, durch das zum Erwerb des Vervielfältigungsstücks eines Bildtonträgers aufgefordert wird, auf den die Darbietung des ausübenden Künstlers Al Di Meola aufgenommen worden ist, ein das Verbreitungsrecht des ausübenden Künstlers verletzendes Angebot an die Öffentlichkeit dar.
(tg) - Quelle: PM Nr. 186/2015 des BGH vom 05.11.2015
Zur Sache:
Replika: Designmöbel von Marcel Breuer und Ludwig Mies van der Rohe
Die Klägerin im Verfahren I ZR 91/11 ist Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an Möbeln nach Entwürfen von Marcel Breuer und Ludwig Mies van der Rohe. Die Beklagte ist eine in Italien ansässige Gesellschaft, die europaweit Designmöbel im Direktvertrieb vermarktet. Sie wirbt auf ihrer in deutscher Sprache abrufbaren Internetseite und in Deutschland erscheinenden Tageszeitungen, Zeitschriften und Werbeprospekten für den Kauf ihrer Möbel mit dem Hinweis: "Sie erwerben Ihre Möbel bereits in Italien, bezahlen aber erst bei Abholung oder Anlieferung durch eine inkassoberechtigte Spedition (wird auf Wunsch von uns vermittelt)". Zu den Möbeln gehören auch Nachbildungen der von Marcel Breuer entworfenen Möbel. Die Klägerin sieht in der Werbung der Bekalgten eine Verletzung des Rechts des Urhebers nach § 17 Abs. 1 Fall 1 UrhG, Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten und nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom BGH zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Replika: Wagenfeld-Leuchte
Im Verfahren I ZR 76/11 ist Klägerin die Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an Leuchten nach Entwürfen von Prof. Wilhelm Wagenfeld. Sie produziert und vertreibt die sogenannte "Wagenfeld-Leuchte". Bei der Beklagten handelt es sich um das auch im Verfahren I ZR 91/11 beklagte Unternehmen. Sie bringt Nachbildungen der Wagenfeld-Leuchte auf den Markt. Sie wirbt deutschsprachig im Internet und in Printmedien unter wörtlicher oder bildlicher Bezugnahme auf die Wagenfeld-Leuchte mit der Möglichkeit des Bezugs einer derartigen Leuchte in Italien. Die Werbung enthält den Hinweis, dass deutsche Kunden die Leuchte unmittelbar oder zu Händen eines Spediteurs zur Mitnahme nach Deutschland übereignet erhalten können. Die Klägerin sieht hierin ebenfalls einen Eingriff in das Verbreitungsrecht nach § 17 Abs. 1 Fall 1 UrhG und nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch. Nachdem das Landgericht hat der Klage stattgegeben hat, ist die Berufung der Beklagten ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Schwarzpressung: Gitarrist "Al Di Meola"
Die Beklagte im Verfahren I ZR 88/13 betreibt im Internet einen Tonträgerhandel. Am 30.11.2011 war auf der Internetverkaufsseite der Beklagten die DVD "Al Di Meola - In Tokio (Live)" eingestellt. Die auf der DVD befindliche Aufnahme war vom aufführenden Künstler Al Di Meola nicht autorisiert worden. Es handelt sich um eine sogeannte Schwarzpressung. Die Klägerin mahnte die Beklagte im Auftrag des Künstlers ab. Sie ist der Ansicht, das Anbieten der DVD verletze das Verbreitungsrecht des ausübenden Künstlers aus § 77 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 UrhG. Die Beklagte entfernte darauf zwar das Angebot von ihrer Internetseite und gab eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab; sie weigerte sich jedoch, die Kosten der Abmahnung zu erstatten. Die Klägerin nimmt die Beklagte daher auf Erstattung der Abmahnkosten in Anspruch. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung hatte keinen Erfolg. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ebenfalls ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs: Werbung für den Erwerb eines Vervielfältigungsstücks eines Werkes kann Verbreitungsrecht verletzen
Der Bundesgerichtshof hat die Revision in allen drei Verfahren zurückgewiesen. Da es sich bei dem Verbreitungsrecht des Urhebers um nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG harmonisiertes Recht handelt, sei die Bestimmungen der § 17 Abs. 1 UrhG richtlinienkonform auszulegen. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf Vorlage des Bundesgerichtshofs entschieden, Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG sei dahin auszulegen, dass der Inhaber des ausschließlichen Verbreitungsrechts an einem geschützten Werk Angebote zum Erwerb oder gezielte Werbung in Bezug auf das Original oder auf Vervielfältigungsstücke des Werkes auch dann verbieten könne, wenn nicht erwiesen sein sollte, dass es aufgrund dieser Werbung zu einem Erwerb des Schutzgegenstands durch einen Käufer aus der Union gekommen sei, sofern die Werbung die Verbraucher des Mitgliedstaats, in dem das Werk urheberrechtlich geschützt sei, zu dessen Erwerb anrege. Entsprechendes gelte für den Inhaber des ausschließlichen Rechts des ausübenden Künstlers nach § 77 Abs. 2 Satz 1 UrhG (Art. 9 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2006/115/EG), den Bild- oder Tonträger, auf den die Darbietung des ausübenden Künstlers aufgenommen worden ist, zu verbreiten.
Werbung soll gezielt Verbraucher in Deutschland zum Erwerb anregen - tatsächlicher Erwerb nicht erforderlich
Danach verletze die beanstandete Werbung in den Verfahren I ZR 91/11 und I ZR 76/11 das ausschließliche Recht zur Verbreitung von Vervielfältigungsstücken der in Deutschland als Werke der angewandten Kunst geschützten Modelle der Möbel von Marcel Breuer, Ludwig Mies van der Rohe und der Wagenfeld-Leuchte. Bei der Werbung handele es sich um eine gezielte Werbung in Bezug auf Vervielfältigungsstücke der Möbelmodelle und des Leuchtenmodells, die die Verbraucher in Deutschland zu deren Erwerb anregt. Sie könne daher auch dann verboten werden, wenn es aufgrund der betreffenden Werbung nicht zu einem Erwerb solcher Möbel durch Käufer aus der Union gekommen sein sollte.
In dem Verfahren I ZR 88/13 stelle das Einstellen der DVD auf einer Internetverkaufsplattform, durch das zum Erwerb des Vervielfältigungsstücks eines Bildtonträgers aufgefordert wird, auf den die Darbietung des ausübenden Künstlers Al Di Meola aufgenommen worden ist, ein das Verbreitungsrecht des ausübenden Künstlers verletzendes Angebot an die Öffentlichkeit dar.
(tg) - Quelle: PM Nr. 186/2015 des BGH vom 05.11.2015
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 05.11.2015
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2748
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