Rechtsprechung // Kostenrecht
BGH, Urteil vom 22.01.2015 - I ZR 59/14
Kosten für Abschlussschreiben II - Zur Warte- und Erklärungsfrist sowie zur Höhe des Kostenerstattungsanspruchs bei einem Abschlussschreiben nach einer Urteilsverfügung
BGB §§ 677, 683, 670; RVG-VV Nr. 2300
Leitsätze:*1. Um Kostennachteile aus § 93 ZPO zu vermeiden, muss der Unterlassungsgläubiger nach Erlass eines Urteils, das die Unterlassungsverfügung bestätigt, dem Unterlassungsschuldner ein Abschlussschreiben zusenden, bevor er Hauptsacheklage erhebt. Denn die zwischenzeitliche mündliche Verhandlung und die schriftliche Urteilsbegründung können einen Auffassungswandel des Unterlassungsschuldners herbeigeführt haben (OLG Köln, WRP 1987, 188, 190 f.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.09.2005 - 6 W 122/05). Wird eine einstweilige Verfügung durch Urteil erlassen oder nach Widerspruch bestätigt, so ist das kostenauslösende Abschlussschreiben nur erforderlich und entspricht nur dem mutmaßlichen Willen des Schuldners (§ 677 BGB), wenn der Gläubiger dem Schuldner zuvor angemessene Zeit gewährt hat, um die Abschlusserklärung unaufgefordert von sich aus abgeben zu können (KG, WRP 1978, 451; OLG Frankfurt, Urteil vom 22.05.2003 - 6 U 6/03). Außer dieser Wartefrist ist dem Schuldner eine Erklärungsfrist für die Prüfung zuzubilligen, ob er die Abschlusserklärung abgibt.
2.
a) Ein Anspruch auf Kostenerstattung für ein Abschlussschreiben setzt voraus, dass der Gläubiger vor dessen Übersendung eine angemessene Wartefrist von mindestens zwei Wochen nach Zustellung des Urteils, durch das die einstweilige Verfügung erlassen oder bestätigt worden ist, an den Schuldner abgewartet hat.
b) Um die Kostenfolge des § 93 ZPO im Hauptsacheverfahren zu vermeiden, muss der Gläubiger dem Schuldner außerdem eine Erklärungsfrist von im Regelfall mindestens zwei Wochen für die Prüfung einräumen, ob er die Abschlusserklärung abgeben will, wobei die Summe aus Warte- und Erklärungsfrist nicht kürzer als die Berufungsfrist (§ 517 ZPO) sein darf.
c) Eine dem Schuldner gesetzte zu kurze Erklärungsfrist setzt eine angemessene Erklärungsfrist in Gang; der Kostenerstattungsanspruch des Gläubigers für das Abschlussschreiben bleibt davon unberührt.
d) Ein Abschlussschreiben ist im Regelfall mit einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV zu vergüten.
3. Bei einem Abschlussschreiben handelt es sich in der Regel nicht um ein Schreiben einfacher Art nach Nr. 2302 RVG-VV (BGH, Urteil vom 04.02.2010 - I ZR 30/08, MIR 2010, Dok. 107 - Kosten für Abschlussschreiben I). Dies kann im Einzelfall zwar anders zu beurteilen sein; etwa dann, wenn der Antragsgegner seinen Widerspruch in der mündlichen Verhandlung im Verfügungsverfahren zurückgenommen und dort bereits die Abgabe einer Abschlusserklärung in Aussicht gestellt hat (BGH, Urteil vom 04.02.2010 - I ZR 30/08, MIR 2010, Dok. 107 - Kosten für Abschlussschreiben I).
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 25.06.2015
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2720
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