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Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht



BGH, Urteil vom 24.07.2014 - I ZR 53/13

Spezialist für Familienrecht - Entsprechen die Fähigkeiten eines Rechtsanwalts, der sich als Spezialist auf dem Rechtsgebiet einer Fachanwaltschaft bezeichnet, denen eines Fachanwalts, besteht keine Veranlassung der Untersagung einer solchen Bezeichnung.

UWG § 4 Nr. 11; BRAO § 43b; BORA § 7

Leitsätze:*

1. Bei § 7 Abs. 2 BORA handelt es sich um eine Konkretisierung der Werbebeschränkung des § 43b BRAO und damit um eine Marktverhaltensregelung. Zuwiderhandlungen gegen diese Vorschrfit stellen daher unlautere geschäftliche Handlungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG dar (BGH, Urteil vom 09.06.2011 - I ZR 113/10 - Zertifizierter Testamentsvollstrecker; BGH, Urteil vom 18.10.2012 - I ZR 137/11 - Steuerbüro).

2. Auch eine objektiv richtige Angabe kann irreführend sein, wenn sie beim Verkehr, an den sie sich richtet, gleichwohl zu einer Fehlvorstellung führt. In einem solchen Fall, in dem die Täuschung des Verkehrs lediglich auf dem Verständnis einer an sich zutreffenden Angabe beruht, ist für die Anwendung des § 5 UWG grundsätzlich eine höhere Irreführungsquote als bei einer Täuschung mit objektiv unrichtigen Angaben erforderlich; außerdem ist eine Interessenabwägung vorzunehmen (BGH, Urteil vom 18.03.2010 - I ZR 172/08, MIR 2010, Dok. 134 - Master of Science Kieferorthopädie; BGH, Urteil vom 18.10.2012 - I ZR 137/11, MIR 2013, Dok. 016 - Steuerbüro). Diese Grundsätze sind auch bei der Auslegung des § 7 Abs. 2 BORA anzuwenden, der generell irreführende Angaben und insbesondere irreführende Annäherungen an den Begriff des Fachanwalts in der Anwaltswerbung verhindern soll. Dabei handelt es sich um eine spezielle satzungsrechtliche Regelung des Irreführungstatbestandes.

3. Die Regelung des § 7 Abs. 1 BORA dient dem Interesse des rechtsuchenden Verkehrs, auf dem weiten Gebiet der Rechtsberatung einen Rechtsanwalt zu finden, der sich in wesentlichem Umfang bereits mit dem Rechtsgebiet befasst hat, auf dem der Rechtsuchende Hilfe erwartet. Bezeichnet sich ein Rechtsanwalt als Spezialist auf einem Rechtsgebiet, ist dies eine dem Informationsinteresse und der Orientierung des rechtsuchenden Verkehrs dienende nützliche Information. Wie sich aus der Begründung der Änderungen des § 7 Abs. 1 BORA ergibt, hat der Satzungsgeber ausdrücklich die Angabe von qualifizierenden Zusätzen wie "Spezialist", "Spezialgebiet" oder "Experte" für zulässig angesehen. Die Verwendung solcher Zusätze wird jedoch davon abhängig gemacht, dass der entsprechend werbende Rechtsanwalt seine Angaben rechtfertigende theoretische Kenntnisse besitzt und auf dem betreffenden Gebiet in erheblichem Umfang tätig gewesen ist. Je intensiver der Rechtsanwalt Teilbereiche seiner Berufstätigkeit werbend herausstellt, desto fundierter müssen seine Kenntnisse und praktischen Erfahrungen sein.

4. Besteht Verwechslungsgefahr zwischen den Bezeichnungen "Spezialist" und "Fachanwalt" ist es im Hinblick auf die Interessenlage des rechtsuchenden Publikums und der Anwaltschaft gerechtfertigt, von einem sich selbst als Spezialisten bezeichnenden Rechtsanwalt zumindest die Expertise eines Fachanwalts zu erwarten. Jedenfalls wenn das Fachgebiet, für das sich der werbende Rechtsanwalt als Spezialist bezeichnet, auch ein Rechtsgebiet ist, für das eine Fachanwaltschaft besteht, ist zur Überprüfung dieser Werbebehauptung auf die jeweiligen Anforderungen der Fachanwaltsordnung an besondere theoretische Kenntnisse und praktische Erfahrungen zurückzugreifen.

5.

a) Entsprechen die Fähigkeiten eines Rechtsanwalts, der sich als Spezialist auf einem Rechtsgebiet bezeichnet, für das eine Fachanwaltschaft besteht, den an einen Fachanwalt zu stellenden Anforderungen, besteht keine Veranlassung, dem Rechtsanwalt die Führung einer entsprechenden Bezeichnung zu untersagen, selbst wenn beim rechtsuchenden Publikum die Gefahr einer Verwechslung mit der Bezeichnung "Fachanwalt für Familienrecht" besteht.

b) Der sich selbst als Spezialist bezeichnende Rechtsanwalt trägt für die Richtigkeit seiner Selbsteinschätzung die Darlegungs- und Beweislast.

MIR 2015, Dok. 013


Anm. der Redaktion: Leitsätze 5 a) - b) sind die amtlichen Leitsätze des Gerichts.
Download: Entscheidungsvolltext PDF

Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 27.01.2015
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2679

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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