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Kurz notiert // Medienrecht



Bundesgerichtshof

Keine Richtigstellung bei ursprünglich zulässiger Verdachtsberichterstattung nach Ausräumung des Verdachts

BGH, Urteil vom 18.11.2014 - VI ZR 76/14; Vorinstanz: LG Hamburg, 20.04.2012 - 324 O 628/10; Hanseatisches OLG, 28.01.2014 - 7 U 44/12

MIR 2014, Dok. 119, Rz. 1


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Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 18.11.2014 (VI ZR 76/14) entschieden, das der Betroffene einer ursprünglich zulässigen Verdachtsberichterstattung grundsätzlich keinen (Berichtigungs-) Anspruch auf Richtigstellung hat, wenn der Tatverdacht gegen ihn später ausgeräumt wird. Der Betroffene könne im Rahmen eines sogenannten Nachtrags von dem Presseorgan nur die - nachträgliche - Mitteilung verlangen, dass der ursprünglich berichtete Verdacht nicht aufrecht erhalten wird, so der Bundesgerichtshof.

Zur Sache:

Der Kläger ist ehemaliger Chefjustiziar einer Bank. Er verlangt die Richtigstellung einer ihn betreffenden Berichterstattung in einem von der Beklagten verlegten Nachrichtenmagazin. Der angegriffene Beitrag geht der Frage nach, ob ein wegen des Verdachts von Pflichtverletzungen entlassenes Vorstandsmitglied der Bank Opfer einer Falschbezichtigung geworden ist. Der Beitrag berichtet über ein gegen einen früheren Sicherheitsberater der Bank eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts, das Büro des ehemaligen Vorstandsmitglieds verwanzt, dessen Privatwohnung durchsucht und beim Frisieren von Dokumenten mitgeholfen zu haben. In diesem Zusammenhang gibt der Beitrag Aussagen des früheren Sicherheitsberaters wieder, wonach der namentlich genannte Kläger und zwei weitere Personen an der Beauftragung dieser Maßnahmen mitgewirkt haben sollen. Nach der Veröffentlichung des Beitrags wurde eine notarielle Erklärung des früheren Sicherheitsberaters bekannt, in der dieser von seinen angeblichen früheren Aussagen abrückte. Später wurde ein gegen diesen und den Kläger eingeleitetes Ermittlungsverfahren eingestellt.

Das Oberlandesgericht hat sich nach einer Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Verdacht, der Kläger habe an Abhörmaßnahmen gegen das ehemalige Vorstandsmitglied mitgewirkt, unberechtigt sei. Es hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, in ihrem Nachrichtenmagazin unter der Überschrift "Richtigstellung" eine Erklärung zu veröffentlichen, wonach sie den Verdacht nicht aufrechterhalte.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Kein Berichtigungsanspruch in Form der Richtigstellung - nur Nachtrag

Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof (VI. Zivilsenat) das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Der angegriffene Beitrag enthalte eine den Kläger nicht vorverurteilende Verdachtsberichterstattung, die nach dem für die revisionsrechtliche Prüfung maßgeblichen Sachvortrag der Beklagten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung rechtmäßig war. Die möglichen Verfehlungen von Führungskräften der Bank, die im Zuge der Finanzkrise verstärkt in das Blickfeld der Öffentlichkeit geraten war, seien ein Vorgang von gravierendem Gewicht, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt sei, so das Gericht. Die Beklagte habe auch einen hinreichenden Mindestbestand an Beweistatsachen dargetan, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung für eine Beteiligung des Klägers an den fraglichen Vorgängen sprachen. Denn nach dem Vortrag der Beklagten stützte sich der Beitrag unter anderem auf Aussagen des früheren Sicherheitsberaters gegenüber den Autoren des Berichts und auf einen Vermerk der Staatsanwaltschaft. Auch hatten die Autoren den Kläger und eine weitere Person angehört, die an der Beauftragung des früheren Sicherheitsberaters mitgewirkt haben sollte. Dies sei unter den konkreten Umständen des Falles ausreichend.

Bei einer im Veröffentlichungszeitpunkt zulässigen Verdachtsberichterstattung kommt ein Berichtigungsanspruch des Betroffenen grundsätzlich in Betracht

Zwar komme auch im Fall einer im Veröffentlichungszeitpunkt zulässigen Verdachtsberichterstattung ein Berichtigungsanspruch des Betroffenen grundsätzlich in Betracht, wenn - wie im Streitfall - der Tatverdacht später ausgeräumt wird und die Rufbeeinträchtigung fortdauert.

Aber: Nicht in Form der Richtigstellung

Jedoch ergebe die gebotene Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK) sowie dem Recht der Presse auf Meinungs- und Medienfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK), dass das Presseorgan nicht verpflichtet werden könne, sich nach einer rechtmäßigen Verdachtsberichterstattung selbst ins Unrecht zu setzen. Deshalb könne der Betroffene bei späterer Ausräumung des Verdachts und Fortwirkung der Beeinträchtigung von dem Presseorgan nicht die Richtigstellung der ursprünglichen Berichterstattung, sondern nur die nachträgliche Mitteilung (Nachtrag) verlangen, dass nach Klärung des Sachverhalts der berichtete Verdacht nicht mehr aufrechterhalten werde.

(tg) - Quelle: PM Nr. 168/2014 des BGH vom 18.11.2014

Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Gramespacher
Online seit: 18.11.2014
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2654
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