Kurz notiert // Zivilrecht
Bundesgerichtshof
Fünf-Prozent-Hürde - Zur (Un-) Erheblichkeit eines Sachmangels
BGH, Urteil vom 28.05.2014 – VIII ZR 94/13; Verfahrensgang: LG Stuttgart, Urteil vom 16.08.2012 - 10 O 223/10; OLG Stuttgart, Urteil vom 20.03.2013 - 4 U 149/12
MIR 2014, Dok. 072, Rz. 1
1
Der Bundesgerichtshof hat zu der Frage Stellung genommen (Urteil vom 28.05.2014 - VIII ZR 94/13), unter welchen Umständen ein Sachmangel "unerheblich" im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ist, so dass der Käufer von einem Kaufvertrag nicht zurücktreten kann. Die Erheblichkeitsschwelle sei insoweit regelmäßig dann erreicht, wenn der Mängelbeseitigungsaufwand bei einem behebbaren Sachmangel fünf Prozent des Kaufpreises überschreite und keine besonderen Umstände vorliegen, die ausnahmsweise zu einer anderen Bewertung führen.
Zur Sache:
Der Kläger begehrt von dem beklagten Autohaus die Rückabwicklung des Kaufvertrags über einen Neuwagen. Nach der Übergabe des Fahrzeugs machte er verschiedene Mängel geltend, unter anderem Fehlfunktionen des akustischen Signals und das völlige Fehlen des optischen Signals der Einparkhilfe. Wegen der Mängel suchte er wiederholt das Autohaus der Beklagten und eine andere Vertragswerkstatt auf. Schließlich setzte er – erfolglos – in Bezug auf einige Mängel, darunter die Mängel an der Einparkhilfe, eine letzte Mängelbeseitigungsfrist. Die Beklagte teilte dem Kläger hierauf schriftlich mit, die Einparkhilfe funktioniere nach einem vorangegangenen Nachbesserungsversuch einwandfrei. Der Kläger erklärte daraufhin den Rücktritt vom Kaufvertrag. Mit seiner Klage begehrt er die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung.
Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat unter Zugrundelegung des Sachverständigengutachtens die Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs hinsichtlich der Einparkhilfe festgestellt. Der Rücktritt sei jedoch gemäß §§ 440, 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen, da die Mangelbeseitigungskosten hier zehn Prozent des Kaufpreises nicht übersteigen und die in der Mangelhaftigkeit der Kaufsache liegende Pflichtverletzung deshalb unerheblich, der Mangel also geringfügig sei.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Sachmangel bereits erheblich, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand fünf Prozent des Kaufpreises überschreitet - in der Regel
Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
Bei einem behebbaren Sachmangel sei die Erheblichkeitsschwelle des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB im Rahmen der auf der Grundlage der Einzelfallumstände vorzunehmenden Interessenabwägung in der Regel bereits dann erreicht ist, wenn der Mängelbeseitigungsaufwand einen Betrag von fünf Prozent des Kaufpreises überschreite, so der Bundesgerichtshof. Von einem geringfügigen Mangel, der zwar den Rücktritt, nicht aber die übrigen Gewährleistungsrechte ausschließe, könne hingegen in der Regel noch gesprochen werden, wenn der Mängelbeseitigungsaufwand die vorgenannte flexible Schwelle von fünf Prozent des Kaufpreises nicht übersteigt. Eine generelle Erhöhung der Erheblichkeitsschwelle über diesen Prozentsatz hinaus sei mit dem durch den Gesetzeswortlaut und durch die Gesetzesmaterialien klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers, dem Sinn und Zweck des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB sowie der Systematik der Rechte des Käufers bei Sachmängeln nicht zu vereinbaren. Die Erheblichkeitsschwelle von (nur) fünf Prozent des Kaufpreises stehe im Einklang mit den Vorgaben der EU-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (vgl. Art. 3 Richtlinie 1999/44/EG).
6,5% - Rücktritt hier nicht ausgeschlossen
Da im vorliegenden Fall bereits für die Beseitigung der vom Berufungsgericht festgestellten Fehlfunktion der Einparkhilfe ein die oben genannte Erheblichkeitsschwelle übersteigender Aufwand in Höhe von 6,5 Prozent des Kaufpreises erforderlich sei und das Berufungsgericht keine besonderen Umstände festgestellt habe, die es rechtfertigten, den Mangel gleichwohl ausnahmsweise als unerheblich anzusehen, sei der vom Kläger erklärte Rücktritt vom Kaufvertrag nicht gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen.
(tg) - Quelle: PM Nr. 087/2014 des BGH vom 28.05.2014
Zur Sache:
Der Kläger begehrt von dem beklagten Autohaus die Rückabwicklung des Kaufvertrags über einen Neuwagen. Nach der Übergabe des Fahrzeugs machte er verschiedene Mängel geltend, unter anderem Fehlfunktionen des akustischen Signals und das völlige Fehlen des optischen Signals der Einparkhilfe. Wegen der Mängel suchte er wiederholt das Autohaus der Beklagten und eine andere Vertragswerkstatt auf. Schließlich setzte er – erfolglos – in Bezug auf einige Mängel, darunter die Mängel an der Einparkhilfe, eine letzte Mängelbeseitigungsfrist. Die Beklagte teilte dem Kläger hierauf schriftlich mit, die Einparkhilfe funktioniere nach einem vorangegangenen Nachbesserungsversuch einwandfrei. Der Kläger erklärte daraufhin den Rücktritt vom Kaufvertrag. Mit seiner Klage begehrt er die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung.
Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat unter Zugrundelegung des Sachverständigengutachtens die Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs hinsichtlich der Einparkhilfe festgestellt. Der Rücktritt sei jedoch gemäß §§ 440, 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen, da die Mangelbeseitigungskosten hier zehn Prozent des Kaufpreises nicht übersteigen und die in der Mangelhaftigkeit der Kaufsache liegende Pflichtverletzung deshalb unerheblich, der Mangel also geringfügig sei.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Sachmangel bereits erheblich, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand fünf Prozent des Kaufpreises überschreitet - in der Regel
Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
Bei einem behebbaren Sachmangel sei die Erheblichkeitsschwelle des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB im Rahmen der auf der Grundlage der Einzelfallumstände vorzunehmenden Interessenabwägung in der Regel bereits dann erreicht ist, wenn der Mängelbeseitigungsaufwand einen Betrag von fünf Prozent des Kaufpreises überschreite, so der Bundesgerichtshof. Von einem geringfügigen Mangel, der zwar den Rücktritt, nicht aber die übrigen Gewährleistungsrechte ausschließe, könne hingegen in der Regel noch gesprochen werden, wenn der Mängelbeseitigungsaufwand die vorgenannte flexible Schwelle von fünf Prozent des Kaufpreises nicht übersteigt. Eine generelle Erhöhung der Erheblichkeitsschwelle über diesen Prozentsatz hinaus sei mit dem durch den Gesetzeswortlaut und durch die Gesetzesmaterialien klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers, dem Sinn und Zweck des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB sowie der Systematik der Rechte des Käufers bei Sachmängeln nicht zu vereinbaren. Die Erheblichkeitsschwelle von (nur) fünf Prozent des Kaufpreises stehe im Einklang mit den Vorgaben der EU-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (vgl. Art. 3 Richtlinie 1999/44/EG).
6,5% - Rücktritt hier nicht ausgeschlossen
Da im vorliegenden Fall bereits für die Beseitigung der vom Berufungsgericht festgestellten Fehlfunktion der Einparkhilfe ein die oben genannte Erheblichkeitsschwelle übersteigender Aufwand in Höhe von 6,5 Prozent des Kaufpreises erforderlich sei und das Berufungsgericht keine besonderen Umstände festgestellt habe, die es rechtfertigten, den Mangel gleichwohl ausnahmsweise als unerheblich anzusehen, sei der vom Kläger erklärte Rücktritt vom Kaufvertrag nicht gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen.
(tg) - Quelle: PM Nr. 087/2014 des BGH vom 28.05.2014
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Gramespacher
Online seit: 28.05.2014
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2605
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