Rechtsprechung // Markenrecht
BGH, Beschluss vom 06.11.2013 - I ZB 63/12
DESPERADOS/DESPERADO - Keine Warenähnlichkeit bei Bier und Snackartikeln
MarkenG § 9 Abs. 1 Nr. 2
Leitsätze:*1. Es gibt eine absolute Grenze der Warenähnlichkeit, die auch bei Identität der Zeichen nicht durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft überschritten werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 29.09.1998 - C-39/97, Slg. 1998, I-5507 - Canon; BGH, Urteil vom 30.03.2006 - I ZR 96/03 - TOSCA BLU; BGH, Beschluss vom 28.09.2006 - I ZB 100/05 - COHIBA; BGH, Beschluss vom 13.12.2007 - I ZB 26/05 - idw; BGH, Urteil vom 20.01.2011 - I ZR 10/09 - BCC, mwN). Von Warenunähnlichkeit kann allerdings nur dann ausgegangen werden, wenn trotz (unterstellter) Identität der Marken die Annahme einer Verwechslungsgefahr wegen des Abstands der Waren von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. BGH, Urteil vom 16.11.2000 - I ZR 34/98 - EVIAN/REVIAN; BGH, Urteil vom 19.02.2004 - I ZR 172/01 - Ferrari-Pferd; BGH, Urteil vom 30.03.2006 - I ZR 96/03 - TOSCA BLU; BGH, Urteil vom 19.04.2012 - I ZR 86/10, MIR 2012, Dok. 046 - Pelikan).
2. Eine Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Waren ist grundsätzlich anzunehmen ist, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblicher Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, wie insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- und Erbringungsart, ihres Verwendungszwecks und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierender oder einander ergänzender Produkte oder Leistungen oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (vgl. EuGH, Urteil vom 11.05.2006 - C-416/04 P, Slg. 2006, I-4237 - VITAFRUIT; EuGH, Urteil vom 18.12.2008 - C-16/06 P - Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH, Urteil vom 20.09.2007 - I ZR 94/04 - Kinderzeit, mwN).
3. Bei der Beurteilung der Frage der Warenähnlichkeit sich gegenüberstehender Waren ist (auch) der Verwendungszweck von Bedeutung (EuGH, Urteil vom 29.09.1998 - C-39/97 - Canon). Die funktionelle Ergänzung der Waren kann in diesem Zusammenhang eine maßgebliche Rolle spielen (EuGH, Urteil vom 29.09.1998 - C-39/97 - Canon).
Für den Verkehr liegt es insoweit generell nahe anzunehmen, dass sich ein Markeninhaber auch mit der Herstellung, mit dem Vertrieb und gegebenenfalls mit der Lizenzierung funktionell nahestehender Produkte befasst, um seine vorhandenen Erfahrungen, Marktkenntnisse und Kundenbeziehungen weitergehend nutzen zu können.
4. Bei der Beurteilung der Frage der Warenähnlichkeit darf der Gesichtspunkt der funktionellen Ergänzung nicht zur Vernachlässigung der weiteren Faktoren verleiten, die im Rahmen der Prüfung der Produktähnlichkeit relevant sein können. Entsprechendes gilt für die Verhältnisse beim Vertrieb der Waren, denen bei der Beurteilung der Frage, ob die Waren einander ähnlich sind, häufig nur ein geringeres Gewicht zukommt.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Gramespacher
Online seit: 02.04.2014
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2579
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
BGH, Urteil vom 15.02.2018 - I ZR 243/16, MIR 2018, Dok. 030
Berliner Runde - Live-Weitersendung und öffentliche Zugänglichmachung einer Berichterstattung des ZDF über die Bundestagswahl im Rahmen von Bild TV rechtswidrig
Oberlandesgericht Köln, MIR 2022, Dok. 080
Nutzungsentgelt für bargeldlose Zahlungen - Eine Vereinbarung, die den Schuldner bei Wahl der Zahlungsmittel "Sofortüberweisung" oder "PayPal" zur Zahlung eines Entgelts verpflichtet, verstößt nicht grundsätzlich gegen § 270a BGB
BGH, Urteil vom 25.03.2021 - I ZR 203/19, MIR 2021, Dok. 035
Werbung für ökologische Wasch-, Putz- und mit der Angabe "Klimaneutral" ohne Aufklärung irreführend
Oberlandesgericht Frankfurt a.M., MIR 2022, Dok. 088
Keine Einschränkung des Gerichtsstands des Begehungsortes bei E-Mail-Werbung - § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UWG erfasst keine Handlungen, die durch Zusendung einer individuellen (Werbe-) E-Mail oder deren Inhalt begangen werden
OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.01.2022 - I-20 U 105/21, MIR 2022, Dok. 019