Kurz notiert // Urheberrecht
Bundesgerichtshof
Leistungsschutzrecht an Einzelbildern der Filmaufnahme einer versuchten Flucht aus der DDR
BGH, Urteil vom 06.02.2014 - I ZR 86/12 - Peter Fechter; Vorinstanz: LG Berlin, Urteil vom 20.05.2011 - 15 O 573/10; KG Berlin, Urteil vom 28.03.2012 – 24 U 81/11
MIR 2014, Dok. 016, Rz. 1
1
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 06.02.2014 (I ZR 86/12 - Peter Fechter) entschieden, dass das Leistungsschutzrecht aus § 72 Abs. 1 UrhG auch an einzelnen Filmbildern besteht und auch das Recht zur Verwertung der Einzelbilder in Form des Films umfasst.
Zur Sache
Der Kameramann Herbert Ernst hatte am 17.08.1962 das Sterben und den Abtransport von Peter Fechter, der bei seinem Fluchtversuch aus der damaligen DDR von Soldaten der Nationalen Volksarmee an der Ostberliner Seite der Berliner Mauer nahe des sogenannten Checkpoint Charly angeschossen worden war, von der Westberliner Seite der Berliner Mauer aus gefilmt.
Die Kläger (Rechteinhaber) behaupten, Herbert Ernst habe ihnen die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an dieser Filmaufnahme eingeräumt. Die beklagte Rundfunkanstalt habe diese Aufnahme ohne ihre Zustimmung unter anderem am 13.08.2010 in der Berliner Abendschau gesendet. Sie haben die Beklagte deshalb mit Schreiben vom 31.08.2010 abgemahnt und sodann Klage auf Unterlassung und Wertersatz erhoben.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat angenommen, die von den Klägern geltend gemachten Ansprüche seien jedenfalls verwirkt, nachdem Herbert Ernst über 48 Jahre keine Ansprüche geltend gemacht habe, obwohl Filmaufnahmen vom Tod des Peter Fechter wiederholt gesendet worden seien.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Verwirkung kein Freibrief für künftige (Urheber-) Rechtsverletzungen
Auf die Revision der Kläger hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil teilweise aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der von den Klägern geltend gemachte Unterlassungsanspruch wegen Ausstrahlung des Films am 13.08.2010 könne nicht wegen Verwirkung abgewiesen werden. Dem stehe entgegen, dass mit einer Verwirkung von Ansprüchen wegen begangener Rechtsverletzungen kein Freibrief für künftige Rechtsverletzungen verbunden sei. Gegenüber dem Anspruch auf Feststellung der Wertersatzpflicht für unberechtigte Nutzungen der Filmaufnahmen könne sich die Beklagte dagegen zwar grundsätzlich mit Erfolg auf eine Verwirkung berufen, so der Bundesgerichtshof. Die Beklagte habe mit Blick auf die jahrzehntelange unbeanstandete Nutzung der Aufnahmen darauf vertrauen dürfen, nicht im Nachhinein auf Wertersatz in Anspruch genommen zu werden. Da die Verwirkung aber nicht zu einer Abkürzung der (kurzen) Verjährungsfrist von drei Jahren führen dürfe, seien lediglich bis zum 31.12.2007 entstandene Ansprüche verwirkt, deren Verjährung durch die Klageerhebung im Jahr 2011 nicht mehr gehemmt werden konnte.
Leistungsschutzrecht an einzelnen Filmbildern
Ansprüche der Kläger auf Unterlassung und auf Wertersatz wegen Nutzungen seit dem 01.01.2008 scheitern nach Meinung des Bundesgerichtshofs demgegenüber auch nicht daran, dass die Filmaufnahme nicht als Filmwerk und die Filmeinzelbilder nicht als Lichtbildwerke geschützt sind, weil es sich dabei lediglich um dokumentierende Aufnahmen und nicht um persönliche geistige Schöpfungen handelt. An den einzelnen Filmbildern bestehe jedenfalls ein Leistungsschutzrecht nach § 72 Abs. 1 UrhG. Dieses umfasse auch das Recht zur Verwertung der Einzelbilder in Form des Films.
Nach der Zurückverweisung wird das Berufungsgericht deswegen zu prüfen haben, ob die Kläger tatsächlich Inhaber der urheberrechtlichen Nutzungsrechte an dem von der Beklagten gesendeten Film sind.
(tg) - Quelle: PM Nr. 22/2014 des BGH vom 06.02.2014
Zur Sache
Der Kameramann Herbert Ernst hatte am 17.08.1962 das Sterben und den Abtransport von Peter Fechter, der bei seinem Fluchtversuch aus der damaligen DDR von Soldaten der Nationalen Volksarmee an der Ostberliner Seite der Berliner Mauer nahe des sogenannten Checkpoint Charly angeschossen worden war, von der Westberliner Seite der Berliner Mauer aus gefilmt.
Die Kläger (Rechteinhaber) behaupten, Herbert Ernst habe ihnen die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an dieser Filmaufnahme eingeräumt. Die beklagte Rundfunkanstalt habe diese Aufnahme ohne ihre Zustimmung unter anderem am 13.08.2010 in der Berliner Abendschau gesendet. Sie haben die Beklagte deshalb mit Schreiben vom 31.08.2010 abgemahnt und sodann Klage auf Unterlassung und Wertersatz erhoben.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat angenommen, die von den Klägern geltend gemachten Ansprüche seien jedenfalls verwirkt, nachdem Herbert Ernst über 48 Jahre keine Ansprüche geltend gemacht habe, obwohl Filmaufnahmen vom Tod des Peter Fechter wiederholt gesendet worden seien.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Verwirkung kein Freibrief für künftige (Urheber-) Rechtsverletzungen
Auf die Revision der Kläger hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil teilweise aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der von den Klägern geltend gemachte Unterlassungsanspruch wegen Ausstrahlung des Films am 13.08.2010 könne nicht wegen Verwirkung abgewiesen werden. Dem stehe entgegen, dass mit einer Verwirkung von Ansprüchen wegen begangener Rechtsverletzungen kein Freibrief für künftige Rechtsverletzungen verbunden sei. Gegenüber dem Anspruch auf Feststellung der Wertersatzpflicht für unberechtigte Nutzungen der Filmaufnahmen könne sich die Beklagte dagegen zwar grundsätzlich mit Erfolg auf eine Verwirkung berufen, so der Bundesgerichtshof. Die Beklagte habe mit Blick auf die jahrzehntelange unbeanstandete Nutzung der Aufnahmen darauf vertrauen dürfen, nicht im Nachhinein auf Wertersatz in Anspruch genommen zu werden. Da die Verwirkung aber nicht zu einer Abkürzung der (kurzen) Verjährungsfrist von drei Jahren führen dürfe, seien lediglich bis zum 31.12.2007 entstandene Ansprüche verwirkt, deren Verjährung durch die Klageerhebung im Jahr 2011 nicht mehr gehemmt werden konnte.
Leistungsschutzrecht an einzelnen Filmbildern
Ansprüche der Kläger auf Unterlassung und auf Wertersatz wegen Nutzungen seit dem 01.01.2008 scheitern nach Meinung des Bundesgerichtshofs demgegenüber auch nicht daran, dass die Filmaufnahme nicht als Filmwerk und die Filmeinzelbilder nicht als Lichtbildwerke geschützt sind, weil es sich dabei lediglich um dokumentierende Aufnahmen und nicht um persönliche geistige Schöpfungen handelt. An den einzelnen Filmbildern bestehe jedenfalls ein Leistungsschutzrecht nach § 72 Abs. 1 UrhG. Dieses umfasse auch das Recht zur Verwertung der Einzelbilder in Form des Films.
Nach der Zurückverweisung wird das Berufungsgericht deswegen zu prüfen haben, ob die Kläger tatsächlich Inhaber der urheberrechtlichen Nutzungsrechte an dem von der Beklagten gesendeten Film sind.
(tg) - Quelle: PM Nr. 22/2014 des BGH vom 06.02.2014
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Gramespacher
Online seit: 06.02.2014
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2549
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