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Kurz notiert // Urheberrecht



Bundesgerichtshof

Ohne konkreten Anlass keine Störerhaftung des Internet-Anschlussinhabers für illegales Filesharing volljähriger Familienangehöriger

BGH, Urteil vom 08.01.2014 - I ZR 169/12 - BearShare; Vorinstanzen: LG Köln, Urteil vom 24.11.2010 - 28 O 202/10; OLG Köln, Urteil vom 22.07.2011 - 6 U 208/10; BVerfG, Beschluss vom 21.03.2012 - 1 BvR 2365/11, MIR 2012, Dok. 018; OLG Köln, Urteil vom 17.08.2012 - 6 U 208/10

MIR 2014, Dok. 003, Rz. 1


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Der Inhaber eines Internetanschlusses haftet nicht als Störer für das Verhalten eines volljährigen Familienangehörigen (etwa eines volljährigen Kindes), wenn er keine Anhaltspunkte dafür hatte, dass dieser den Internetanschluss für illegales Filesharing missbraucht. Dies geht aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 08.01.2013 (I ZR 169/12 - BearShare) hervor.

Zur Sache

Die Klägerinnen sind vier führende deutsche Tonträgerhersteller. Der Beklagte ist Inhaber eines Internetzugangs. In seinem Haushalt leben auch seine Ehefrau und deren volljähriger Sohn.

Die Klägerinnen ließen den Beklagten durch Anwaltsschreiben abmahnen; sie behaupteten, am 12.06.2006 seien über seinen Internetanschluss 3.749 Musikaufnahmen, an denen sie die ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte besäßen, in einer Internettauschbörse zum Herunterladen verfügbar gemacht worden. Der Beklagte gab daraufhin - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, weigerte sich jedoch, die geltend gemachten Abmahnkosten zu bezahlen. Die Klägerinnen nehmen den Beklagten auf Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von EUR 3.454,60 in Anspruch.

Der Beklagte meint, er sei für die behaupteten Rechtsverletzungen nicht verantwortlich. Sein damals 20-jähriger Stiefsohn habe die Musikdateien über den Internetanschluss zugänglich gemacht. Der Stiefsohn des Beklagten hat im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung gegenüber der Polizei eingeräumt, er habe mit dem Tauschbörsenprogramm "BearShare" Musik auf seinen Computer heruntergeladen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerinnen EUR 2.841,00 zu zahlen, und die weitergehende Klage abgewiesen. Der Beklagte sei für die Verletzung der urheberrechtlich geschützten Rechte an den Musiktiteln verantwortlich. Er habe dadurch, dass er seinem 20-jährigen Stiefsohn den Internetanschluss zur Verfügung gestellt habe, die Gefahr geschaffen, dass dieser an urheberrechtsverletzenden Musiktauschbörsen teilnehme. Es sei ihm daher zumutbar gewesen, seinen Stiefsohn auch ohne konkrete Anhaltspunkte für eine bereits begangene oder bevorstehende Urheberrechtsverletzung über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Tauschbörsen aufzuklären und ihm die rechtswidrige Nutzung entsprechender Programme zu untersagen. Da der Beklagte seinen Stiefsohn nicht - jedenfalls nicht hinreichend - belehrt habe, habe er diese Verpflichtung verletzt.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Internetanschluss darf an Volljährige auch ohne Belehrung und Überwachung überlassen werden - Haftung erst bei konkreten Anhaltspunkten für Rechtsverletzungen

Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil numehr aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen. Bei der Überlassung eines Internetanschlusses an volljährige Familienangehörige - wie auch volljährige Kinder - sei zu berücksichtigen, dass die Überlassung durch den Anschlussinhaber auf familiärer Verbundenheit beruht und Volljährige für ihre Handlungen grundsätzlich selbst verantwortlich sind. Im Blick auf das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Familienangehörigen und die Eigenverantwortung von Volljährigen dürfe der Anschlussinhaber einem volljährigen Familienangehörigen seinen Internetanschluss überlassen, ohne diesen belehren oder überwachen zu müssen; erst wenn der Anschlussinhaber - etwa aufgrund einer urheberrechtlichen Abmahnung - konkreten Anlass für die Befürchtung hat, dass der volljährige Familienangehörige den Internetanschluss für Rechtsverletzungen missbraucht, habe er die zur Verhinderung von Rechtsverletzungen erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Da der Beklagte nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen keine Anhaltspunkte dafür hatte, dass sein volljähriger Stiefsohn den Internetanschluss zur rechtswidrigen Teilnahme an Tauschbörsen missbrauchte, hafte er auch dann nicht als Störer für Urheberrechtsverletzungen seines Stiefsohnes auf Unterlassung, wenn er ihn nicht oder nicht hinreichend über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Tauschbörsen belehrt haben sollte, so der Bundesgerichtshof.

(tg) - Quelle: PM Nr. 005/2014 des BGH vom 08.01.2014

Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Gramespacher
Online seit: 08.01.2014
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2536
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