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Kurz notiert



Bundesgerichtshof

Autocomplete-Funktion - Zur Haftung von "Google" für persönlichkeitsrechtsverletzende Suchwortergänzungsvorschläge

BGH, Urteil vom 14.05.2013 – VI ZR 269/12; Vorinstanzen: LG Köln, Urteil vom 19.10.2011 - 28 O 116/11; OLG Köln - Urteil vom 10.05.2012 - 15 U 199/11

MIR 2013, Dok. 026


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Im Rahmen einer sogenanten "Autocomplete"-Funktion (hier: für Suchwortergänzungsvorschläge bei Google) kann es z.B. dann zu Persönlichkeitsrechtsverletzungen kommen, wenn bei Eingabe des Vor- und Zunamens einer Person Begriffe ergänzend vorgeschlagen werden, die in dem dann bestehenden Zusammenhang z.B. eine unwahre Aussagen über die betroffene Person enthalten. Eine Haftung des Betreibers (hier: Google) für solche Persönlichkeitsrechtsverletzungen kommt demgegenüber aber erst ab Kenntnis einer Rechtsverletzung und bei Verletzung zumutbarer Prüfpflichten in Betracht. Dies geht aus der offiziellen Pressemeldung zu einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14.05.2013 (VI ZR 269/12) hervor.

Zur Sache

Die Klägerin zu 1, eine Aktiengesellschaft, die im Internet Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetika vertreibt, sowie der Kläger zu 2, ihr Gründer und Vorstandsvorsitzender, machen gegen die Betreiberin der Internet-Suchmaschine "www.google.de", Unterlassungs- und Geldentschädigungsansprüche geltend. Durch Eingabe von Suchbegriffen in die Suchmaschine der Beklagten können Nutzer über eine angezeigte Trefferliste auf von Dritten ins Internet eingestellte Inhalte Zugriff nehmen. Seit April 2009 hat die Beklagte eine "Autocomplete"-Funktion in ihre Suchmaschine integriert, mit deren Hilfe dem Internetnutzer während der Eingabe seiner Suchbegriffe in einem sich daraufhin öffnenden Fenster automatisch verschiedene Suchvorschläge ("predictions") in Form von Wortkombinationen angezeigt werden. Die im Rahmen dieser Suchergänzungsfunktion angezeigten Suchvorschläge werden auf der Basis eines Algorithmus ermittelt, der u.a. die Anzahl der von anderen Nutzern eingegebenen Suchanfragen einbezieht.

Der Kläger zu 2 stellte im Mai 2010 fest, dass bei Eingabe seines Namens in dem sich im Rahmen der "Autocomplete"-Funktion öffnenden Fenster als Suchvorschläge die Wortkombinationen "(voller Name) Scientology" und "(voller Name) Betrug" erschienen. Dadurch sehen sich die Kläger in ihrem Persönlichkeitsrecht und geschäftlichen Ansehen verletzt. Sie haben u.a. behauptet, der Kläger stehe weder in irgendeinem Zusammenhang mit Scientology noch sei ihm ein Betrug vorzuwerfen noch ein entsprechendes Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet. In keinem einzigen Suchergebnis sei eine Verbindung zwischen dem Kläger und "Scientology" bzw. "Betrug" ersichtlich.

Die Kläger verlangen von der Beklagten, es zu unterlassen, auf der Internetseite ihrer Suchmaschine nach Eingabe des Namens des Klägers zu 2 als Suchbegriff im Rahmen der "Autocomplete"-Funktion die ergänzenden Kombinationsbegriffe "Scientology" und "Betrug" vorzuschlagen. Darüber hinaus begehren sie Ersatz vorprozessualer Rechtsverfolgungskosten und der Kläger zu 2 zusätzlich die Zahlung einer Geldentschädigung. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Kläger hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Im Rahmen einer "Autocomplete"-Funktion kann es grundsätzlich zu Persönlichkeitsrechtsverletzungen kommen

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Kläger hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Berufungsgericht habe einen Unterlassungsanspruch der Kläger entsprechend §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB i.V.m. Art. 1, 2 GG gegen die Beklagte als Betreiberin der Internet-Suchmaschine rechtsfehlerhaft verneint.

Die Suchwortergänzungsvorschläge "Scientology" und "Betrug" bei Eingabe des Vor- und Zunamens des Klägers zu 2 in die Internet-Suchmaschine der Beklagten beinhalten nach Ansicht des Bundesgerichtshofs eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Kläger, da ihnen ein fassbarer Aussagegehalt innewohne; zwischen dem Kläger zu 2 und den negativ belegten Begriffen "Scientology" und/oder "Betrug" bestehe ein sachlicher Zusammenhang.

Die Kläger würden hierdurch in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt, wenn diese Aussage – wie sie vorgetragen haben – unwahr wäre und deshalb in der Abwägung ihrer grundrechtlich geschützten Position gegenüber derjenigen der Beklagten das Übergewicht zukäme.

Diese Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Kläger sei der Beklagten auch unmittelbar zuzurechnen. Sie habe mit dem von ihr geschaffenen Computerprogramm das Nutzerverhalten ausgewertet und den Benutzern der Suchmaschine die entsprechenden Vorschläge unterbreitet.

Aber: Verantwortlichkeit von Google erst ab Kenntnis und Verletzung zumutbarer Prüfpflichten

Daraus folge allerdings noch nicht, dass die Beklagte für jede Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung durch Suchvorschläge haftet. Der Beklagten sei nämlich nicht vorzuwerfen, dass sie eine Suchvorschläge erarbeitende Software entwickelt und verwendet hat, sondern lediglich, dass sie keine hinreichenden Vorkehrungen getroffen hat, um zu verhindern, dass die von der Software generierten Suchvorschläge Rechte Dritter verletzen.

Grundsätzlich: Keine Überprüfung "generell vorab"

Nimmt ein Betroffener den Betreiber einer Internet-Suchmaschine mit Suchwortergänzungsfunktion auf Unterlassung der Ergänzung persönlichkeitsrechtsverletzender Begriffe bei Eingabe des Namens des Betroffenen in Anspruch, setzte die Haftung des Betreibers die Verletzung zumutbarer Prüfpflichten voraus, so der Bundesgerichtshof. Der Betreiber einer Suchmaschine sei regelmäßig nicht verpflichtet, die durch eine Software generierten Suchergänzungsvorschläge generell vorab auf etwaige Rechtsverletzungen zu überprüfen. Der Betreiber sei insoweit grundsätzlich erst verantwortlich, wenn er Kenntnis von der rechtswidrigen Verletzung des Persönlichkeitsrechts erlangt. Weist ein Betroffener den Betreiber auf eine rechtswidrige Verletzung seines Persönlichkeitsrechts hin, sei der Betreiber verpflichtet, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern.

Nach Zurückverweisung neue Entscheidung des Berufungsgerichts

Nach der Zurückverweisung hat das Berufungsgericht nunmehr neu zu entscheiden und eine rechtliche Würdigung unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Prüfungspflichten vorzunehmen als auch unter dem Gesichtspunkt des - indes nur in engen Grenzen zu gewährenden - Anspruchs auf Geldentschädigung und des Anspruchs auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

(tg) - Quelle: PM Nr. 087/2013 vom 14.05.2013

Hinweis: Der Artikel befindet sich noch in Bearbeitung

Online seit: 14.05.2013
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2461
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