Rechtsprechung
BGH, Beschluss vom 05.12.2012 - I ZB 48/12
Die Heiligtümer des Todes - Die Beschwerde eines Anschlussinhabers gegen die Gestattung der Auskunftserteilung nach § 101 Abs. 9 Satz 1 UrhG ist gemäß § 62 Abs. 1 und 2 Nr. 2 FamFG auch dann statthaft, wenn sie erst nach Erteilung der Auskunft eingelegt worden ist.
UrhG § 19a, § 101 Abs. 9 Satz 1; FamFG § 62 Abs. 1 und 2 Nr. 2, § 63 Abs. 3; GG Art. 10 Abs. 1
Leitsätze:*1. Die Gestattung der Auskunftserteilung gemäß § 101 Abs. 9 Satz 1 UrhG ist als ein im Sinne des § 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG schwerwiegender Grundrechtseingriff anzusehen (OLG Köln, Beschluss vom 05.10.2010 - 6 W 82/10; OLG München, Beschluss vom 12.12.2011 - 29 W 1708/11; aA noch OLG Köln, GRUR-RR 2009, 321, 322). Sie greift in das Grundrecht auf Wahrung des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 Abs. 1 GG, vgl. auch § 101 Abs. 10 UrhG) ein und hat erhebliches Gewicht (vgl. BGH, Beschluss vom 19.04.2012 - I ZB 80/11 - Alles kann besser werden; BVerfGE 125, 260 Rn. 258 f.).
2.
a) Die Beschwerde eines Anschlussinhabers gegen die Gestattung der Auskunftserteilung nach § 101 Abs. 9 Satz 1 UrhG ist gemäß § 62 Abs. 1 und 2 Nr. 2 FamFG auch dann statthaft, wenn sie erst nach Erteilung der Auskunft eingelegt worden ist.
b) Die Beschwerdefristen des § 63 Abs. 3 FamFG gelten nicht für Beschwerden von Anschlussinhabern gegen die Gestattung der Auskunftserteilung nach § 101 Abs. 9 Satz 1 UrhG.
3. Der in Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung bestehende Anspruch aus § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG auf Auskunft gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte, setzt nicht voraus, dass die rechtsverletzenden Tätigkeiten das Urheberrecht oder ein anderes nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht in gewerblichem Ausmaß verletzt haben. Auch die Begründetheit des Antrags nach § 101 Abs. 9 Satz 1 UrhG auf Gestattung der Verwendung von Verkehrsdaten zur Erteilung der Auskunft über den Namen und die Anschrift der Nutzer, denen zu bestimmten Zeitpunkten bestimmte (dynamische) IP-Adressen zugewiesen waren, setzt - jedenfalls in den Fällen, in denen ein Auskunftsanspruch nach § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG wegen einer offensichtlichen Rechtsverletzung gegen eine Person besteht, die in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbracht hat - grundsätzlich kein besonderes und insbesondere kein gewerbliches Ausmaß der Rechtsverletzung voraus. Ein solcher Antrag ist vielmehr unter Abwägung der betroffenen Rechte des Rechtsinahbers, des Auskunftspflichtigen und der Nutzer sowie unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in aller Regel ohne weiteres begründet (Bestätigung: BGH, Beschluss vom 19.04.2012 - I ZB 80/11 - Alles kann besser werden).
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 03.04.2013
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2454
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