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Rechtsprechung



LG München I

Urteil vom 23.02.2006 - Az. 12 O 17192/05 - (Unwirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (im Rahmen von Pay-TV Verträgen). Unzulässigkeit eines Preisabänderungs- und Abweichungsrechts. Begriff des "Vorteils" im Rahmen von Leistungs- und Preisänderungen. Unwirksamkeit vorbehaltener Beitragserhöhung auf Grund von Kostenerhöhungen auf Seiten des AGB-Verwenders. Unwirksamkeit der Tarifumstellung bei Verlängerung von bestehenden Verträgen. Kündigungsrecht des Verwenders bei Umstrukturierung des Leistungsangebots und Preisänderungen unwirksam, §§ 308 Nr. 4 BGB, 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB)

Leitsätze (tg):

1. Soweit mehrere Auslegungsalternativen bezüglich einzelner AGB-Klauseln möglich sind, ist von derjenigen Auslegung auszugehen, die zur Unwirksamkeit der Klausel führt. Maßgebend ist insoweit die kundenfeindlichste Auslegung, wobei völlig fernliegende Auslegungsmöglichkeiten außer Betracht bleiben müssen.

2. § 308 Nr. 4 BGB schließt nur Änderungen oder Abweichungen aus, die den Vertragspartner benachteiligen. Art und Umfang der Benachteiligung ist hierbei im Rahmen der hinsichtlich der Zumutbarkeit vorzunehmenden Interessenabwägung zu berücksichtigen.

3. Zumutbar ist eine Regelung innerhalb einer AGB-Klausel dann, wenn die Interessen des Verwenders die des anderen Vertragsteils überwiegen oder ihm zumindest gleichwertig sind. Das Interesse des anderen Vertragsteils (hier: des Kunden) and der ordnungsgemäßen Erfüllung der versprochenen Leistung gebührt allerdings grundsätzlich der Vorrang.

4. Ein Preisabänderungs- und Abweichungsrecht, des Verwenders von AGB, nach Belieben ist unzulässig, da der Vertragspartner die Leistung grundsätzlich kalkulieren können muss. Denn der Kunde hat ein besonderes Interesse an einer kalulierbaren Leistung zu einem bestimmten Preis für eine bestimmte Dauer.

5. Ist es denkbar, dass es zwar zu einer Erweiterung eines Leitsungsangebots kommt und insoweit ein "Vorteil" für den Kunden entstehen mag, liegt jedenfalls dann begrifflich kein Vorteil für den Kunden mehr vor, wenn eine damit einhergehende Preiserhöhung nicht ausgeschlossen wird oder auf Grund der betreffenden AGB-Klauseln nicht auszuschließen ist.

6. Eine Klausel, die die Erhöhung der monatlichen Beiträge aufgrund einer Erhöhung der Kosten für die Bereitstellung der vertraglichen Leistung auf Seiten des Verwenders zulässt, ist dann unwirksam, wenn Grund und Umfang der Erhöhung nicht eindeutig und konkret festgelegt sind, § 307 Abs. 1 i.V.m. § 307 Abs. 2 BGB. Insbesondere bei Verträgen mit Verbrauchern sind insoweit an die Ausgewogenheit und Klarheit der Erhöhungsklausel strenge Anforderungen zu stellen.

7. Eine Klausel die bei der (automatischen) Verlängerung des Vertrages auf einen Vertragstarif umstellt, der gelten würde, wenn der Vertrag zum Zeitpunkt der Verlängerung neu abgeschlossen worden wäre, enthält eine unzulässige Preisänderungsklausel und ist unwirksam gem. § 307 Abs. 1 BGB. Denn durch eine solche Klausel wird in das ursprüngliche Preis-Leistungsverhältnis des ursprünglichen Vertrages eingegriffen.

8. Grundsätzlich hat der Kunde ein Anrecht darauf, dass während der Laufzeit eines Vertrages für ihn der von ihm zu entrichtende Beitrag fest bleibt oder zumindest Änderungen kalkulierbar sind. Obgleich ein Änderungsvorbehalt bei Dauerschuldverhältnisses grundsätzlich möglich ist, kann dies nicht zu einer völligen Beliebigkeit der Preisgestaltung führen.

9. Eine Klausel die dem Verwender einräumt im Fall der Umstrukturierung der vertraglichen Leistung und entsprechender Preisgestaltung sich aus dem Vertrag zu lösen ist gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.

MIR 2006, Dok. 030



Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 08.03.2006
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/245

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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