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Kurz notiert



Bundesgerichtshof

Fortbestand von abgeleiteten Unterlizenzen beim Erlöschen der Hauptlizenz.

BGH, Urteil vom 19.07.2012 - I ZR 70/10 - M2Trade - Vorinstanzen: LG Potsdam, Urteil vom 20.07.2006 - 2 O 120/05; OLG Brandenburg, Urteil vom 30.03.2010 - 6 U 76/06
BGH, Urteil vom 19.07.2012 - I ZR 24/11 - Take Five - Vorinstanzen: LG München I, Urteil vom 17. März 2010 - 21 O 5192/09; OLG München - Urteil vom 20.01.2011 - 29 U 2626/10

MIR 2012, Dok. 032, Rz. 1


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Der Bundesgerichtshof (I. Zivilsenat) hat am 19.07.2012 in zwei Verfahren (I ZR 70/10 - M2Trade und I ZR 24/11 - Take Five) entschieden, dass das Erlöschen einer Hauptlizenz in aller Regel nicht zum Erlöschen daraus abgeleiteter Unterlizenzen führt.

Zur Sache:

In einem Verfahren (I ZR 70/10) geht es um die Nutzungsrechte dem Computerprogramm "M2Trade": Die Klägerin ist Inhaberin ausschließlicher Nutzungsrechte an diesem Computerprogramm und hat einem anderen Unternehmen (Hauptlizenznehmerin) gegen fortlaufende Zahlung von Lizenzgebühren Nutzungsrechte an der Software eingeräumt. Dieses Unternehmen hat seinerseits einem dritten Unternehmen (Unterlizenznehmerin) - unter Einschaltung eines weiteren Unternehmens - ein einfaches Nutzungsrecht an dem Programm eingeräumt. Die Klägerin hat der Hauptlizenznehmerin, nachdem sie von ihr keine Zahlungen mehr erhalten hatte, die Kündigung des Lizenzvertrages zum 30.06.2002 erklärt. Der Beklagte ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Unterlizenznehmerin.

Die Klägerin ist der Ansicht, aufgrund der Kündigung des Vertrages mit der Hauptlizenznehmerin sei nicht nur das ausschließliche Nutzungsrecht der Hauptlizenznehmerin an dem Computerprogramm an sie zurückgefallen, sondern auch die davon abgeleiteten Nutzungsrechte einschließlich des der Unterlizenznehmerin eingeräumten einfachen Nutzungsrechts. Der Beklagte habe das Programm daher seit dem 01.07.2002 unbefugt genutzt und damit das daran bestehende Urheberrecht verletzt. Die Klägerin hat den Beklagten unter anderem auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben.

In dem zweiten Verfahren (I ZR 24/11) geht es um das Verlagsrecht an der Komposition "Take Five" des Komponisten Paul Desmond: Die Klägerin ist Inhaberin der weltweiten Nutzungsrechte an dieser Komposition. Sie räumte einem Musikverlag die ausschließlichen Musikverlagsrechte für Europa ein. Die Hauptlizenznehmerin räumte der Rechtsvorgängerin des Beklagten die ausschließlichen Subverlagsrechte für Deutschland und Österreich ein. Im Jahr 1986 vereinbarte die Klägerin mit der Hauptlizenznehmerin, dass sämtliche gegenseitigen Verpflichtungen aus dem Verlagsvertrag betreffend das Musikwerk "Take Five" beendet sind.

Die Klägerin ist der Ansicht, mit der Aufhebung des Hauptlizenzvertrages und dem Erlöschen der Hauptlizenz sei auch die Unterlizenz des Beklagten erloschen. Die Klägerin hat unter anderem die Feststellung beantragt, dass der Beklagte nicht mehr Inhaber der Musikverlagsrechte an dem Werk "Take Five" für Deutschland und Österreich ist. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Erlöschen der Hauptlizenz führt nicht zum Erlöschen der Unterlizenz.

Der Bundesgerichtshof hat die Revision der jeweiligen Klägerin in beiden Verfahren zurückgewiesen.

Bereits mit Urteil vom 26.03.2009 (I ZR 153/06, BGHZ 180, 344 - Reifen Progressiv) hatte der Bundesgerichtshof - in einem Fall, in dem der Hauptlizenznehmer dem Unterlizenznehmer ein einfaches Nutzungsrecht gegen Zahlung einer einmaligen Lizenzgebühr eingeräumt hatte und die Hauptlizenz aufgrund eines wirksamen Rückrufs des Nutzungsrechts durch den Urheber wegen Nichtausübung (§ 41 UrhG) erloschen war - entschieden, dass das Erlöschen der Hauptlizenz nicht zum Erlöschen der Unterlizenz führt.

Nunmehr hat der Bundesgerichtshof diese Rechtsprechung weitergeführt und entschieden, dass das Erlöschen der Hauptlizenz auch in den Fällen nicht zum Erlöschen der Unterlizenz führt, in denen der Hauptlizenznehmer dem Unterlizenznehmer ein einfaches Nutzungsrecht gegen fortlaufende Zahlung von Lizenzgebühren ("M2Tade") oder ein ausschließliches Nutzungsrecht gegen Beteiligung an den Lizenzerlösen ("Take Five") eingeräumt hat und die Hauptlizenz nicht aufgrund eines Rückrufs wegen Nichtausübung, sondern aus anderen Gründen erlischt (hier: aufgrund einer wirksamen Kündigung des Hauptlizenzvertrages wegen Zahlungsverzugs ("M2Trade") oder aufgrund einer Vereinbarung über die Aufhebung des Hauptlizenzvertrages ("Take Five")).

Sukzessionsschutz im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht.

Im gewerblichen Rechtsschutz und im Urheberrecht gelte der Grundsatz des Sukzessionsschutzes (§ 33 UrhG, § 30 Abs. 5 MarkenG, § 31 Abs. 5 GeschmMG, § 15 Abs. 3 PatG, § 22 Abs. 3 GebrMG). Dieser besage unter anderem, dass ausschließliche und einfache Nutzungsrechte wirksam bleiben, wenn der Inhaber des Rechts wechselt, der das Nutzungsrecht eingeräumt hat. Zweck des Sukzessionsschutzes sei es, das Vertrauen des Rechtsinhabers auf den Fortbestand seines Rechts zu schützen und ihm die Amortisation seiner Investitionen zu ermöglichen. Eine Abwägung der typischerweise betroffenen Interessen ergebe - so der Bundesgerichtshof -, dass das vom Gesetz als schutzwürdig erachtete Interesse des Unterlizenznehmers an einem Fortbestand der Unterlizenz das Interesse des Hauptlizenzgebers an einem Rückfall der Unterlizenz im Falle des Erlöschens der Hauptlizenz in aller Regel überwiegt. Das Interesse des Hauptlizenzgebers sei weitgehend gewahrt, da er den Hauptlizenznehmer nach dem Erlöschen der Hauptlizenz auf Abtretung seines Anspruchs gegen den Unterlizenznehmer auf Zahlung von Lizenzgebühren in Anspruch nehmen kann. Der Fortbestand der Unterlizenz beim Wegfall der Hauptlizenz führe damit nicht zu der unbilligen Konsequenz, dass der nicht mehr berechtigte Hauptlizenznehmer von Lizenzzahlungen des Unterlizenznehmers profitiert und der wieder berechtigte Hauptlizenzgeber leer ausgeht. Der Unterlizenznehmer könne die Ursache für die außerordentliche Auflösung des zwischen dem Hauptlizenzgeber und dem Hauptlizenznehmer geschlossenen Vertrags und die vorzeitige Beendigung des früheren Nutzungsrechts regelmäßig weder beeinflussen noch vorhersehen. Er würde durch den vorzeitigen und unerwarteten Fortfall seines Rechts oft erhebliche wirtschaftliche Nachteile erleiden, die sogar zur Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz führen können, wenn er auf den Bestand der Lizenz angewiesen ist.

(tg) - Quelle: PM Nr. 120/2012 des BGH vom 19.07.2012


Online seit: 19.07.2012
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2410
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