Rechtsprechung
OLG Karlsruhe, Urteil vom 10.08.2011 - 6 U 78/10
Urheberrechtsschutzfähigkeit von Nachrichtentexten - Texte von Nachrichtenagenturen können urheberrechtlichen Schutz als Schriftwerke im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG genießen.
UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs.2, § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 16, § 49 Abs. 2
Leitsätze:*1. Texte von Nachrichtenagenturen können urheberrechtlichen Schutz als Schriftwerke im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG genießen, wenn es sich um persönliche geistige Schöpfungen im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG handelt.
2. Zwar weisen gerade Texte von Nachrichtenagenturen wegen des dort geltenden Gebots der Sachlichkeit und Zurückhaltung in der sprachlichen Darstellung typischerweise wenig individuelle Charakteristika auf. Ein ausgeprägter persönlicher Schreibstil ist hier in der Regel so unerwünscht, wie eine markante rhetorische Gestaltung; die Wahrnehmung des Leser soll bei typischen Nachrichtentexten auf den mitgeteilten Inhalt konzentriert werden, hinter dem die sprachliche Form zurücktritt. Dennoch sind auch Nachrichtentexte, die in Presse und sonstigen Medien verbreitet werden, in der Regel urheberrechtsschutzfähig (vgl. BGH, Urteil vom 16. 1. 1997 - I ZR 9/95 - CB-infobank I). Die vielfältigen Möglichkeiten, ein Thema darzustellen, führen insoweit nahezu unvermeidlich zu einer individuellen Prägung eines Artikels. Dies gilt nicht nur für Artikel, in die die eigene Meinung des Autors einfließt, sondern auch für reine Berichterstattung. Auch dort ist die Darstellung regelmäßig durch die individuelle Gedankenformung und -führung des Verfassers geprägt. Bei der Berichterstattung ergibt sich eine individuelle Prägung vor allem aus der Auswahl der berichteten Tatsachen, aus der Entscheidung über die Detaillierung, mit der der Sachverhalt dargestellt wird und aus der Einordnung des Berichtsgegenstands in einen größeren Kontext.
3. Die in § 49 Abs. 2 UrhG statuierte Ausnahme vom Urheberrechtschutz gilt nur für "vermischte Nachrichten tatsächlichen Inhalts" und - ohne Bedeutungsunterschied - für "Tagesneuigkeiten". Die Anwendung dieser Vorschrift scheidet schon dann aus, wenn der Text sich nicht auf die reine Mitteilung von Nachrichten beschränkt, sondern daneben erläuternde oder belehrende Kommentierungen, Betrachtungen, Ergänzungen oder Erläuterungen enthält.
4. Bei festangestellten Nachrichtenredakteuren ist - soweit keine gegenteiligen Anhaltspunkte erkennbar sind - von der Einräumung umfassender ausschließlicher Nutzungsrechte an den im Rahmen des Arbeitsverhältnisses erstellten Texten zugunsten des Arbeitgebers auszugehen, sei es aufgrund von Tarifverträgen, sei es aufgrund ausdrücklicher oder konkludenter Abreden im Arbeitsvertrag. Es ist insofern Kern einer Anstellung als Nachrichtenredakteur, dass der Arbeitnehmer für den Arbeitgeber Nachrichtentexte erstellt, welche dieser verwertet; wobei eine Verwertung heutzutage (gerade) auch die Veröffentlichung im Internet einschließt, die von der Nutzungsrechtseinräumung daher umfasst ist.
5. Für Ansprüche aufgrund der Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts (hier: wegen fehlender Autoren- bzw. Urheberbenennung) ist der bloße Nutzungsberechtigte nicht aktivlegitimiert.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 20.10.2011
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2362
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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