Rechtsprechung
OLG Celle, Beschluss vom 14.06.2011 - 13 U 50/11
Streitwert bei Verstoß gegen allgemeine Informationspflichten - Der Streitwert für einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch wegen eines Verstoßes gegen die Pflicht zur Angabe der zuständigen Aufsichtsbehörde nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 TMG ist im Hauptsacheverfahren regelmäßig mit EUR 3.000,00 und im Verfügungsverfahren mit EUR 2.000,00 zu bemessen.
GKG §§ 53 Abs. 1 Nr. 1, 63 Abs. 3 Satz 1; ZPO § 3, TMG § 5; UWG § 12 Abs. 4
Leitsätze:*1. In Verfahren, in denen es um die Unterlassung von Wettbewerbsverstößen geht, ist für die Bestimmung des Streitwert im Wege der Schätzung nach freiem Ermessen (§ 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, § 3 ZPO) das Interesse maßgeblich, dass der Kläger an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße hat. Kriterien zur Bestimmung dieses Interesses sind vor allem die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit für den Wettbewerber im Hinblick auf den ihm drohenden Schaden (z.B. Umsatzeinbußen, Marktverwirrung und Rufschaden), die Unternehmensverhältnisse beim Verletzer und Verletzten (Umsätze, Größe, Wirtschaftskraft, Marktstellung und deren voraussichtliche Entwicklung), die Intensität des Wettbewerbs zwischen den Parteien in räumlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht, wobei auch die Auswirkungen zukünftiger Verletzungshandlungen (Ausmaß, Intensität und Häufigkeit, indiziert durch die bereits begangene Verletzungshandlung, die Intensität der Wiederholungsgefahr, Verschuldensgrad, späteres Verhalten) zu berücksichtigen sind (OLG Celle, Beschluss vom 14.05.2010 - 13 W 38/10). Die Angabe des Streitwertes in der Klage bzw. Antragsschrift ist dabei ein gewichtiges Indiz für die Schätzung, da diese Angabe grundsätzlich noch unbeeinflusst vom Ausgang des Rechtsstreits erfolgt (KG Berlin, Beschluss vom 09.04.2010 - 5 W 3/10, MIR 2010, Dok. 112). Ergibt sich aus den Umständen nicht die Fehlerhaftigkeit dieser Angabe, kann sie regelmäßig der Streitwertfestsetzung zu Grunde gelegt werden.
2. Ein Wettbewerbsverstoß wegen Verletzung der allgemeinen Informationspflichten nach § 5 TMG beeinträchtigt die geschäftlichen Belange der insoweit verletzten Mitbewerber in aller Regel nur unwesentlich. An der Erfüllung der entsprechenden geschäftlichen Verpflichtungen besteht zwar zum Schutze der Verbraucher ein erhebliches Allgemeininteresse, weshalb Zuwiderhandlungen regelmäßig die Bagatellgrenze des § 3 UWG überschreiten. Die die Streitwertbemessung für einen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG maßgeblich beeinflussende Interessenlage des Mitbewerbers wird durch einen solchen Wettbewerbsverstoß jedoch nur unwesentlich berührt (OLG Celle, Beschluss vom 19.11.2007 - 13 W 112/07, MIR 2007, Dok. 427). Die Informationspflichten des § 5 TMG dienen dem Verbraucherschutz und der Transparenz von geschäftsmäßig erbrachten Telediensten. So soll die Angabe der zuständigen Aufsichtsbehörde dem Verbraucher die Möglichkeit geben sich bei Bedarf über den Anbieter erkundigen zu können bzw. im Falle von Rechtsverstößen gegen Berufspflichten einem Anlaufstelle zu haben (mit Verweis auf: BT-Drs. 14/6098, S. 21). Die Gefahr einer nennenswerten Beeinflussung der Entscheidung des Verbrauchers zu Gunsten des Verletzers und zum Nachteil seiner sich gesetzestreu verhaltenden Konkurrenten durch einen entsprechenden Wettbewerbsverstoß ist als gering anzusehen.
3. Bei einem Unterlassungsanspruch wegen eines Wettbewerbsverstoßes aufgrund der Verletzung von allgemeinen Informationspflichten nach § 5 TMG kann eine Streitwertminderung nach § 12 Abs. 4 UWG in Betracht kommen. Eine Minderung des Streitwerts kommt insoweit immer dann in Betracht, wenn die Sache nach Art und Umfang ohne größeren Arbeitsaufwand von den Parteien bzw. ihren Anwälten zu bearbeiten ist und sich damit als "tägliche Routinearbeit" darstellt. Einfach gelagerte Streitigkeiten sind beispielsweise in serienweise wiederkehrende Wettbewerbsverletzungen und rechtlich eindeutige Verstöße (OLG Celle, Beschluss vom 19.11.2007 - 13 W 112/07), die leicht zu erkennen und nachzuweisen sind.
4. Liegen keine weiteren besonderen Umstände vor, ist für den Streitwert eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom Streitwert eines (etwaigen) Hauptsacheverfahrens ein Abschlag von einem Drittel vorzunehmen (unter Bezugnahme auf: OLG Celle, Beschluss vom 14.05.2010 - 13 W 38/10).
5. Der Streitwert für einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch wegen eines Verstoßes gegen die Pflicht zur Angabe der zuständigen Aufsichtsbehörde nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 TMG ist im Hauptsacheverfahren regelmäßig mit EUR 3.000,00 und im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit EUR 2.000,00 zu bemessen.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 06.07.2011
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2344
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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