Rechtsprechung
BGH, Urteil vom 17.09.2009 - I ZR 217/07
Testfundstelle - Zum Zustandekommen und zur Wirksamkeit von Unterlassungsverträgen sowie zur Bemessung und Festsetzung der angemessenen Vertragsstrafe nach dem sog. "Hamburger Brauch".
BGB §§ 147 Abs. 2, 150, §§ 315 Abs. 1, 339; ZPO § 890
Leitsätze:*1. Die Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe setzt den Abschluss eines Vertrags zwischen
dem Gläubiger und dem Schuldner voraus und wird nicht schon durch eine einseitige Erklärung des
Schuldners begründet. Für das Zustandekommen eines solchen (Unterlassungs-) Vertrages gelten
grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften (BGH, Urteil vom 18.05.2006 - Az. I ZR 32/03 -
Vertragsstrafenvereinbarung). Bereits in der Abmahnung kann insoweit ein Vertragsangebot liegen,
wenn es von einem Rechtsbindungswillen getragen und hinreichend bestimmt ist (BGH, Urteil vom
25.03.2002 - I ZR 296/99 - Teilunterwerfung).
2. Entspricht eine strafbewehrte Unterlassungserklärung inhaltlich nicht dem mit einer Abmahnung
übermittelten Angebot auf Abschluss eines Unterlassungsvertrags, stellt eine solche (modifizierte
Unterlassungs-) Erklärung keine Annahme dieses Angebots dar. Eine Annahme unter Erweiterungen,
Einschränkungen oder sonstigen Änderungen gilt nach § 150 Abs. 2 BGB als Ablehnung verbunden mit
einem neuen Antrag.
3. Eine ernsthafte und den Anforderungen entsprechende strafbewehrte Unterlassungserklärung lässt die
Wiederholungsgefahr unabhängig von einer Annahmeerklärung des Gläubigers entfallen. Demgegenüber kann
der Gläubiger Ansprüche aus der strafbewehrten Unterlassungserklärung auf Zahlung einer Vertragsstrafe
allein für ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses (d.h. nach einer Annahme) begangene Verstöße
geltend machen (BGH, Urteil vom 18.05.2006 - Az. I ZR 32/03 - Vertragsstrafenvereinbarung).
4. Bei einer auf Abschluss eines Unterlassungsvertrags gerichteten Unterwerfungserklärung ist in
der Regel davon auszugehen, dass der Schuldner sein Angebot unbefristet abgegeben hat mit der Folge,
dass es vom Gläubiger jederzeit angenommen werden kann.
5. Dem steht auch nicht die dispositive Vorschrift des § 147 Abs. 2 BGB entgegen, wonach ein
Vertragsangebot grundsätzlich nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden kann, in welchem der
Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Die
Abschreckungswirkung, die den Wegfall der Wiederholungsgefahr schon mit Zugang der strafbewehrten
Unterlassungserklärung rechtfertigt, ist nur dann gegeben, wenn das auf Abschluss eines
Unterlassungsvertrags gerichtete Angebot auch noch nach der üblichen Annahmefrist bindend ist und
durch den Gläubiger jederzeit zur Begründung der Vertragsstrafeverpflichtung angenommen werden kann.
6. Erwirkt der Gläubiger vor Zugang und Annahme der vom Schuldner zur Vermeidung eines
Rechtsstreits abgegebenen strafbewehrten Unterlassungserklärung eine einstweilige Verfügung und
stellt sie zu, fehlt deshalb nicht die Geschäftsgrundlage des Unterlassungsvertrags.
7. Einer etwaigen doppelten Sicherung des Gläubigers durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung
und eine Unterlassungsverfügung muss insofern nicht durch das Institut des Wegfalls der
Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB begegnet werden. Denn der Schuldner, der eine ausreichende
Unterwerfungserklärung abgegeben hat, kann durch einen Widerspruch oder einen Antrag nach § 927 ZPO
die Aufhebung der einstweiligen Verfügung erreichen.
8. Die der Sicherung einer wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsverpflichtung dienende
Vertragsstrafevereinbarung kann gemäß § 315 Abs. 1 BGB in der Weise umgesetzt werden, dass dem
Gläubiger für den Fall einer künftigen Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflicht die Bestimmung
der Höhe der Vertragsstrafe nach seinem billigen Ermessen überlassen bleibt (sog. "Hamburger Brauch").
Eine gerichtliche Überprüfung der vom Gläubiger vorgenommenen Bestimmung der Vertragsstrafenhöhe nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB kann in der Vereinbarung ausdrücklich vorgesehen werden. Die richterliche
Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 2 3 Satz 2 BGB kommt hierbei auch einem Kaufmann zugute; auf die
Vorschrift des § 348 HGB kommt es nicht an.
9. Bei der Bemessung einer nach "Hamburger Brauch" vom Gläubiger gemäß § 315 Abs. 1 BGB nach
billigem Ermessen festzusetzenden Vertragsstrafe ist ein für dieselbe Zuwiderhandlung bereits
gerichtlich verhängtes Ordnungsgeld zu berücksichtigen.
10. Umgekehrt ist bei der Bemessung eines Ordnungsgeldes auch eine bereits zuvor festgesetzte
Vertragsstrafe mindernd zu berücksichtigen.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 12.04.2010
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2154
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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