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Rechtsprechung



OLG Hamm, Urteil vom 07.07.2009 - 4 U 28/09

Rechtsmissbräuchliche Anspruchsverfolgung - Handelt es sich bei einer Abmahnung um eine so genannte "Retourkutsche" bzw. einen "Denkzettel", genügt dies grundsätzlich nicht für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs.

UWG § 8 Abs. 4

Leitsätze:*

1. Von einer missbräuchlichen Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG ist im Allgemeinen dann auszugehen, wenn das beherrschende Motiv dessen Geltendmachung sachfremde Ziele sind, insbesondere ein Gebührenerzielungsinteresse. Ausreichend ist hierbei, dass die sachfremden Ziele des Handelns eindeutig überwiegen.

2. Die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs ist unzulässig, wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Hiervon ist auszugehen, wenn die äußeren Umstände in ihrer Gesamtheit aus Sicht eines wirtschaftlich denkenden Unternehmers deutlich machen, dass der Anspruchsberechtigte kein nennenswertes wirtschaftliches oder wettbewerbspolitisches Interesse an der Rechtsverfolgung haben kann und deshalb allein oder ganz überwiegend nur ein Gebühreninteresse verfolgt (BGH, Urteil vom 05.10.2000 - Az. I ZR 237/98 – Vielfachabmahner). Geht es dem Gläubiger demgegenüber hauptsächlich um die Unterbindung unlauteren Wettbewerbs, genügt es für die Begründung des Missbrauchstatbestands nicht, wenn auch sachfremde Motivationen - ohne vorherrschend zu sein - bei der Anspruchsverfolgung eine Rolle spielen (BGH, Urteil vom 06.04.2000 - Az. I ZR 67/98 – Neu in Bielefeld I). Ob die Anspruchsverfolgung vorwiegend von sachfremden Erwägungen bestimmt ist, ist hierbei im Einzelfall im Rahmen einer Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller wesentlichen Umstände zu bestimmen.

3. Allein der Umstand, dass es sich bei einer Abmahnung um eine so genannte "Retourkutsche" bzw. einen "Denkzettel" handelt, genügt grundsätzlich nicht für die Annahme eines Missbrauchs im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG. Das der Abmahnende seinerseits verbotswidrig handeln mag ("unclean hands"), ist regelmäßig ebenfalls nicht maßgeblich.

4. Ein Vorgehen gegen "Altfälle" (hier: bereits abgelaufene Online-Verkaufsangebote) spricht grundsätzlich nicht für ein missbräuchliches Vorgehen bei der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen. Insbesondere braucht sich der Mitbewerber nicht auf ein späteres Wohlverhalten des Verletzers verweisen zu lassen, solange die Wiederholungsgefahr nicht ausgeräumt ist. Dies gilt jedenfalls soweit nicht gezielt nach solchen Altfällen gesucht wird.

5. Die Frage des Rechtsmissbrauchs im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG ist von Amts wegen zu prüfen. Liegt eine rechtsmissbräuchliche Anspruchsverfolgung vor, führt dies zur Unzulässigkeit der Klage.

MIR 2010, Dok. 041


Download: Entscheidungsvolltext PDF

Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 08.03.2010
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2140

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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