Rechtsprechung
EuGH, Urteil vom 21.01.2010 - C-398/08 P
Vorsprung durch Technik - Zur markenrechtlichen Schutzfähigkeit und Beurteilung der Unterscheidungskraft von Zeichen oder Angaben, die (auch) als Werbeslogans, Qualitätshinweise und Aufforderungen zum Kauf von Waren oder Dienstleistungen verwendet werden.
Art. 7 Abs. 1 Buchst. b Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke
Leitsätze:*1. Die Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 bedeutet, dass die Marke geeignet ist, die
Ware, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware somit von denjenigen
anderer Unternehmen zu unterscheiden. Hierbei ist die Unterscheidungskraft einer Marke zum einen im Hinblick auf die Waren oder
Dienstleistungen, für die sie angemeldet ist, und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen.
2. Die Eintragung einer Marke, die aus Zeichen oder Angaben besteht, die sonst als Werbeslogan, Qualitätshinweise oder Aufforderungen zum Kauf der Waren
oder Dienstleistungen verwendet werden, auf die sich diese Marke bezieht, ist nicht schon wegen einer solchen Verwendung ausgeschlossen.
Vielmehr sind an die Beurteilung der Unterscheidungskraft solcher Marken keine strengeren Maßstäbe anzulegen, als an sonstige Zeichen.
3. Für die Annahme des erforderlichen Minimums an Unterscheidungskraft nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 eines Werbeslogans ist auch nicht
zu verlangen, dass dieser "phantasievoll" ist und "ein begriffliches Spannungsfeld, das einen Ãœberraschungs- und damit Merkeffekt zur Folge (hat)", aufweist
(vgl. EuGH, Urteil vom 21.10.2004 - Az. C-64/02 - HABM/Erpo Möbelwerk; EuGH, Urteil vom 16.09.2004 - Az. C-329/02 P - SAT.1/HABM).
4. Allein die Tatsache, dass eine Marke von den angesprochenen Verkehrskreisen als Werbeslogan wahrgenommen wird, reicht nicht aus, um dieser Marke die Unterscheidungskraft
abzusprechen. Der anpreisende Sinn einer Wortmarke schließt insoweit nicht deren Eignung als Herkunftshinweis aus. Eine solche Marke kann von den angesprochenen
Verkehrskreisen vielmehr gleichzeitig als Werbeslogan und als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der betreffenden Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden.
5. Marken, die aus Zeichen oder Angaben bestehen, die sonst als Werbeslogans, Qualitätshinweise oder Aufforderungen zum Kauf der mit diesen Marken bezeichneten
Waren oder Dienstleistungen verwendet werden, enthalten naturgemäß in mehr oder weniger großem Umfang (auch) eine Sachaussage. Dieser Umstand führt indes nicht dazu,
dass bei solchen Marken - soweit sie nicht beschreibend im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94 sind - bereits deswegen die Unterscheidungskraft unmittelbar
und ohne weitere Prüfung auszuschließen ist. Solche Marken können insbesondere dann geeignet sein, den Verbraucher auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder
Dienstleistung hinweisen, wenn sie nicht nur in einer gewöhnlichen Werbemitteilung bestehen, sondern eine gewisse Originalität oder Prägnanz aufweisen, die sie leicht merkfähig
machen, ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand erfordern oder bei den angesprochenen Verkehrskreisen einen Denkprozess auslösen. Schließlich ist auch die Frage der Bekanntheit
und der Verwendungsdauer des Werbeslogans für die Beurteilung seiner Unterscheidungskraft als Wortmarke von Bedeutung.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 01.02.2010
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2119
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