Rechtsprechung
LG Berlin , Beschluss vom 18.08.2009 - 15 S 8/09
"Tell-a-friend-Funktion" und rechtwidrige E-Mail-Werbung - Zur (Störer-) Haftung des Betreibers bei der Initiierung und Installation einer E-Mail-Einladungs- bzw. Empfehlungsfunktion in einem Online-Shop.
BGB §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1
Leitsätze:*1. Vorformulierte E-Mails, die von Dritten über eine "Einladungsfunktion" ("Tell-a-friend"-Funktion) auf den Webseiten eines Diensteanbieters versendet werden, können
unabhängig einer "persönlichen Nachricht" der Versender an den Empfänger als Werbung zu qualifizieren sein. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob ein
bestimmtes Produkt oder das Geschäft als solches angepriesen wird. Eine Werbung kann sich auch drauf beziehen, dem betreffenden Anbieter den Vorzug zu geben
(hier: Online-Shop bzw. "Online Shopping Club" Betreiber).
2. Derjenige, der eine Einladungs- bzw. Empfehlungsfunktion in seinem Angebot initiiert und installiert, um private E-Mailadressen zum Zwecke des direkten
Erstkontakts zu erhalten, haftet jedenfalls dann als Störer für die Versendung solcher E-Mails, wenn Dritte durch die Möglichkeit, Prämien zu erlangen, zur Mitwirkung
durch das Eingeben von E-Mail-Adressen und zum Versenden von Einladungs- bzw. Empfehlungs-E-Mails animiert werden. Dann liegt nicht mehr der Fall einer Empfehlung "aus freien Stücken" vor.
3. Der Anbieter einer Einladungs- bzw. Empfehlungsfunktion kann sich nicht damit entlasten, dass ihm eine Überprüfung der von Dritten insoweit eingegebene
E-Mail-Adressen angeblicher "Freunde" nicht möglich ist. Der Anbieter hat das sich durch die Installation einer solchen Funktion und deren Ausgestaltung
ergebende Risiko zu tragen, dass Empfänger durch Werbe-E-Mails sozialadäquat nicht mehr hinnehmbar belästigt werden.
4. Die mittels einer "Tell-a-friend-Funktion" durch einen Dritten an die E-Mail-Adresse eines "Freundes" versandte E-Mail kann regelmäßig nicht als die erste Stufe eines
Double-Opt-In-Verfahrens angesehen werden, da der Anbieter eines solchen Empfehlungsfunktion bereits nicht davon ausgeht, dass der E-Mailversand nicht durch
den Empfänger sondern durch einen Dritten ("Freund") veranlasst wird. Von einem Einverständnis des Empfängers darf der Anbieter daher nicht ausgehen.
Ein besonderer Dank für die Mitteilung der Entscheidung gilt Herrn RA Sebastian Klingl, Berlin (www.ra-klingl.de).
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 31.10.2009
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2064
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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