Rechtsprechung
BGH, Urteil vom 02.07.2009 - I ZR 146/07
Mescher weis - Gegenüber einem rechtskräftigen Unterlassungstitel kann der Schuldner mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend machen, dass das ihm untersagte Verhalten nunmehr aufgrund einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht mehr verboten ist.
ZPO §§ 767, 927 Abs. 1
Leitsätze:*1. Gesetzesänderungen und Änderungen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung gehören grundsätzlich zu den Einwendungen,
die eine Vollstreckungsabwehrklage gegen einen in der Hauptsache titulierten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch begründen können.
2. Das Festhalten des Unterlassungsschuldners an einem gegen ihn erwirkten (wettbewerbsrechtlichen) Verbot ist für diesen nicht zumutbar, wenn das untersagte Verhalten nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zukünftig zweifelsfrei als rechtmäßig zu beurteilen ist. Denn er muss die Unterlassungspflicht auch in Zukunft erfüllen und ihm blieben Werbemöglichkeiten, die seinen Mitbewerbern erlaubt sind, dauerhaft verwehrt (vgl. BGHZ 133, 316, 324 - Altunterwerfung I). Eine höchstrichterliche Leitentscheidung, nach der ein untersagtes Verhalten eindeutig als rechtmäßig zu beurteilen wäre, ist daher ebenso wie eine Gesetzesänderung als Einwendung im Sinne von § 767 ZPO zu behandeln.
Ein Wandel in der höchstrichterlichen Rechtsprechung hat bei wettbewerbsrechtlichen Unterlassungstiteln ähnliche Auswirkungen wie eine Gesetzesänderung.
3. Gegenüber einem rechtskräftigen Unterlassungstitel kann der Schuldner mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend machen, dass das ihm untersagte
Verhalten nunmehr aufgrund einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht mehr verboten ist.
4. Um die entsprechenden Rechte auch gegenüber einem im Verfügungsverfahren erstrittenen und vom Schuldner als endgültige Regelung anerkannten
Unterlassungstitel geltend machen zu können, muss sich der Schuldner in der Abschlusserklärung die Rechte aus § 927 Abs. 1 ZPO insoweit vorbehalten,
als die veränderten Umstände auch gegenüber einem in der Hauptsache ergangenen Titel geltend gemacht werden könnten.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 29.09.2009
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2035
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
BGH, Beschluss vom 17.02.2020 - I ZB 39/19, MIR 2020, Dok. 031
Löschungspflicht (auch) für Links?! - Der Unterlassungsschuldner kann zur Löschung von Verlinkungen verpflichtet sein, deren Wiedergabe selbst einen Verstoß gegen ein gerichtliches Unterlassungsgebot darstellt
OLG Celle, Beschluss vom 19.08.202 - 5 W 25/22, MIR 2022, Dok. 071
Jogginghosen - Spürbarkeit im Sinne von § 3a UWG bei einem Verstoß gegen die Textilkennzeichnungsverordnung, Abmahnkostenersatz und beschränkte Revisionszulassung
BGH, Urteil vom 31.10.2018 - I ZR 73/17, MIR 2018, Dok. 054
Kunstmaschinen - Die automatisierte Einstellung eines Amazon-Angebots unter einer bestehenden ASIN kann sich als Verletzung eines unbenannten Rechts zur öffentlichen Wiedergabe (§ 15 Abs. 2 UrhG) hinsichtlich der angezeigten Lichtbilder darstellen
OLG Köln, Urteil vom 24.02.2023 - 6 U 137/22, MIR 2023, Dok. 021
Wegfall der Wiederholungsgefahr III - Zum Wegfall der Wiederholungsgefahr, dem Wegfall deren Wegfalls durch Ablehnung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und zur Vertragsstrafe nach "Hamburger Brauch" bei einem erneuten Verstoß
BGH, Versäumnisurteil vom 01.12.2022 - I ZR 144/21, MIR 2023, Dok. 002