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Rechtsprechung



OLG Karlsruhe, Beschluss vom 01.09.2009 - 6 W 47/09

Einstweilige Anordnung zur Sicherung von Verkehrsdaten - Wird ein Film kurz nach seiner Veröffentlichung in voller Länge im Wege des Filesharing zum Download angeboten, hat eine solche Rechtsverletzung gewerbliches Ausmaß im Sinne von § 101 Abs. 1 UrhG.

UrhG § 101 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 9; TKG § 3 Nr. 30, §§ 96, 113a

Leitsätze:*

1. Wird ein Film kurz nach seiner Veröffentlichung (hier: rund 5 Monate) in voller Länge zum Download im Wege des so genannten Filesharing zur Verfügung gestellt, so dass die Verletzungshandlung in die für die Amortisation der Herstellungskosten bedeutsame erste Verkaufsphase fällt, hat eine solche Rechtsverletzung gewerbliches Ausmaß im Sinne von § 101 Abs. 1 UrhG (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 21.10.2008 - Az. 6 Wx 2/08, MIR 2008, Dok. 323).

2. Für die Schwere der Rechtsverletzung im Sinne von § 101 Abs. 1 UrhG kann allein die Art und der wirtschaftliche Wert des Werkes, das im Wege des Filesharing heruntergeladen wurde, herangezogen werden. Eine für ein gewerbliches Ausmaß hinreichende Schwere der Rechtsverletzung ist insoweit anzunehmen, wenn eine besonders umfangreiche Datei (vollständiger Kinofilm, ganzes Musikalbum oder ein Hörbuch) vor oder unmittelbar nach Veröffentlichung in Deutschland widerrechtlich im Internet öffentlich zugänglich gemacht wird. Eine im gewerblichen Ausmaß vorgenommene Rechtsverletzung im Sinne von § 101 Abs. 1 UrhG zeichnet sich weiterhin dadurch aus, dass sie zwecks Erlangung eines unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Vorteils vorgenommen wurde. Handlungen die von Endverbrauchern im guten Glauben vorgenommen wurden, sind in der Regel nicht erfasst. Entscheidend - aber auch ausreichend - ist, dass der Rahmen des Privaten überschritten wird, die Rechtsverletzung also ein Ausmaß aufweist, wie dies üblicherweise mit einer auf einem gewerblichen Handeln beruhenden Rechtsverletzung verbunden ist. Dies ist der Fall, wenn ein kommerziell genutztes Werk nicht nur heruntergeladen, sondern vom Verletzer einer unbestimmten Vielzahl von Dritten zugänglich gemacht wird. Mit Blick auf die Nutzungsintensität und damit auf die Schwere der Rechtsverletzung steht dies der unberechtigten Weitergabe an einen gewerblichen Zwischenhändler gleich, der die Vervielfältigung und weitere Distribution des Werkes übernimmt. (OLG Köln, Beschluss vom 21.10.2008 - Az. 6 Wx 2/08, MIR 2008, Dok. 323).

3. Angesichts der seit Jahren in der Öffentlichkeit geführten Diskussion um Urheberrechtsverletzungen in so genannten "Tauschbörsen" kann der Endverbraucher nicht (mehr) im guten Glauben annehmen, zu einer derartigen Nutzung eines geschützten und kommerziell verwerteten Werkes berechtigt zu sein.

4. Eine Rechtsverletzung ist offensichtlich im Sinne von § 101 Abs. 2 UrhG, wenn die tatsächlichen Umstände und ihre rechtliche Bedeutung so eindeutig sind, dass eine Fehlvorstellung und damit eine ungerechtfertigte Belastung des Auskunftspflichtigen ausgeschlossen ist.

5. Dynamische IP-Adressen sind Verkehrsdaten im Sinne von § 3 Nr. 30 TKG (vgl. u.a. OLG Köln, Beschluss vom 21.10.2008 - Az. 6 Wx 2/08, MIR 2008, Dok. 323; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 27.10.2008 - Az. 3 W 184/08, MIR 2008, Dok. 328; LG Frankenthal, Beschluss vom 21.05.2008 - Az. 6 O 156/08, MIR 2008, Dok. 180).

6. § 101 Abs. 9 UrhG stellt einen speziellen Erlaubnistatbestand für die Verwendung von Verkehrsdaten zur Erteilung einer Auskunft nach § 101 Abs. 2 UrhG dar. Die Speicherung zur Erteilung einer solchen Auskunft ist insoweit erforderlich im Sinne von § 96 Abs. 1 Satz 1 TKG. Soweit die Löschung der Verkehrsdaten grundsätzlich unverzüglich zu erfolgen hat (§ 96 Abs. 2 Satz 2 TKG) kann die Sicherung des Verfahrens nach § 101 Abs. 9 UrhG den Erlass einer einstweiligen Anordnung erfordern, die ihre Rechtsgrundlage in § 101 Abs. 2, Abs. 9 UrhG i.V.m. § 96 Abs. 2 Satz 1 TKG hat. Dies steht mit den Vorschriften des TKG als auch mit verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben im Einklang. Das Vorliegen der Voraussetzungen von § 101 Abs. 9 UrhG hat der Antragsteller glaubhaft zu machen. Eine solche einstweilige Anordnung kann mit der Beschwerde angefochten werden.

7. § 101 Abs. 9 UrhG erlaubt nicht den Zugriff auf solche Verkehrsdaten, die aufgrund der Verpflichtung nach § 113a TKG gespeichert worden sind (so genannte Vorratsdatenspeicherung; dazu OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.05.2009, Az. 11 W 21/09).

MIR 2009, Dok. 190


Download: Entscheidungsvolltext PDF

Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 24.09.2009
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2032

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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