Rechtsprechung
OLG Koblenz, Beschluss vom 03.06.2009 - 5 U 429/09
Kein Porsche für 5,50 EUR bei abgebrochener eBay-Auktion - Zur Frage, wann bei dem vorzeitigen Abbruch einer Internetauktion dem Bestehen auf die Vertragsdurchführung und der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB entgegengehalten werden kann.
BGB § 242
Leitsätze:*1. Der Einwand des Rechtsmissbrauchs (hier: rechtsmissbräuchliche Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs) als Fallgruppe von § 242 BGB
ist von den Gerichten von Amts wegen zu berücksichtigen (BGHZ 12, 164ff.; OLG München, Beschluss vom 15.11.2002 - Az. 19 W 2631/02 - Online-Ticket),
wobei die Anwendung auf Ausnahmefälle beschränkt ist.
2. Bei einer Internetauktion (hier: bei eBay) kommt die Annahme einer unangemessen Benachteiligung des Anbieters und Verkäufers nur in
krassen Ausnahmefällen in Betracht, da der Anbieter grundsätzlich die Möglichkeit hat, Maßnahmen zu ergreifen, um sein Risiko zu begrenzen
(etwa: Einrichtung eines Mindestgebots, Angabe der Bietschritte sowie der Bietzeit). Nutzt er diese Möglichkeiten nicht, muss er sich an den Folgen
grundsätzlich festhalten lassen. Uneingeschränkt kann dies indes nur dann gelten, wenn die betreffende Auktion auch bis zum Ende der Bietzeit tatsächlich
durchgeführt wurde (zu dieser Konstellation: OLG Köln, Urteil vom 8.12.2006 - Az. 19 U 109/06,
MIR 2007, Dok. 012 - "Rübenroderfall").
3. Wird eine Internetauktion vorzeitig abgebrochen, ist im konkreten Einzelfall zu beurteilen, ob der Anbieter in Bezug auf bereits
abgegebene Gebote (ausnahmsweise) nicht an seinem Angebot festzuhalten ist. Hierbei ist wesentlich zu beachten, dass der Bieter nicht der Willkür
des Anbieters ausgesetzt werden darf. Berücksichtigt werden muss auch, das bei Durchführung der Auktion - nicht nur hypothetisch - ein Erlös erzielt worden wäre, der das Höchstgebot im Beendigungszeitpunkt und auch das Maximalgebot des Höchstbietenden bei weitem überschritten hätte.
4. Ein Kaufpreis von EUR 5,50 für einen Porsche (Wert rund EUR 75.000,00) bewegt sich nicht mehr im Bereich eines "Schnäppchens", d.h.
eines besonders günstigen aber doch im zu erwartenden Rahmen liegenden Preises, sondern stellt sich - jedem verständigen Betrachter ohne
weiteres nachvollziehbar - als nur noch extrem zu bezeichnendes Missverhältnis zwischen dem gebotenen Preis und der Wert der Sache dar.
Ein besonderer Dank für die Mitteilung der Entscheidung gilt Herrn RA Elmar Kloss, Koblenz (www.carspers-mock.de).
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 09.08.2009
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2004
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
BGH, Urteil vom 11.05.2017 - I ZR 60/16, MIR 2017, Dok. 036
Google Automotive Services - Zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen bei Beteiligung von Wettbewerbern durch das Bundeskartellamt in einem Kartellverwaltungsverfahren
Bundesgerichtshof, MIR 2024, Dok. 018
MO ./. MALM - Zu den Voraussetzungen eines Vorbenutzungsrechts im Designrecht
Bundesgerichtshof, MIR 2017, Dok. 027
Zweitmarkt für Lebensversicherungen - Zur einheitlichen Auslegung des Mitbewerberbegriffs im UWG und der gezielten Mitbewerberbehinderung durch das Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs
BGH, Urteil vom 05.11.2020 - I ZR 234/19, MIR 2020, Dok. 094
AIDA Kussmund - Die Panoramafreiheit erstreckt sich auch auf nicht ortsfeste Kunstwerke
Bundesgerichtshof, MIR 2017, Dok. 019