MIR-Newsletter

Der MIR-Newsletter informiert Sie regelmäßig über neue Inhalte in MEDIEN INTERNET und RECHT!

Schließen Abonnieren
MIR-Logo mobil

Logo MEDIEN INTERNET und RECHT
Logo MEDIEN INTERNET und RECHT

Rechtsprechung



BGH, Urteil vom 18.12.2008 - I ZR 200/06

Da rappelt's im Karton... - Zwischen der Marke "Augsburger Puppenkiste" und der Bezeichnung "Leipziger Puppenkiste" besteht keine Verwechslungsgefahr. Es ist nur von einer geringen Zeichenähnlichkeit auszugehen.

MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2 und 3, Abs. 5, § 15 Abs. 2, 3 und 4, § 25 Abs. 1 und 2 Satz 1, § 26 Abs. 1 und 3; ZPO § 551 Abs. 3 Nr. 2

Leitsätze:*

1. Ansprüche auf Unterlassung können über die konkrete Verletzungshandlung hinaus gegeben sein, wenn in der erweiterten Form das Charakteristische der Verletzungshandlung noch zum Ausdruck kommt. Eine Verletzungshandlung begründet insoweit die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht nur für die identische Verletzungsform, sondern für alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen (BGHZ 126, 287 - Rotes Kreuz, BGHZ 166, 233 - Parfümtestkäufe).

2. Wird eine Verwechslungsgefahr nur durch einen Bestandteil der verwendeten Kennzeichnung hervorgerufen, ist gleichwohl die konkrete Verletzungsform in ihrer Gesamtheit zu verbieten. Das Verbot darf nicht auf einen Teil des angegriffenen Zeichens erstreckt werden. Ein solch umfassendes Verbot der Verwendung eines Zeichenbestandteils kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn seine zulässige Verwendung schlechthin ausgeschlossen ist - gleichgültig in welcher Kombination (vgl. hierzu: BGH Urteil vom 20.02.1997 - Az. I ZR 187/94 - GARONOR).

3. Eine Verletzungshandlung, die in der Benutzung eines zusammengesetzten Zeichens besteht, dessen Gesamteindruck durch mehrere Zeichenbestandteile bestimmt wird (hier: Leipziger Puppenkiste), ist nicht mehr im Kern gleichartig mit der Verwendung eines Bestandteils des zusammengesetzten Zeichens (hier: Puppenkiste).

4. Die Nutzung einer Marke in einer von der Eintragung abweichenden Form kann nur dann eine rechtserhaltende Benutzung nach § 26 Abs. 3 MarkenG darstellen, wenn die Abweichung den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändert. Der Verkehr muss insoweit das abweichend benutzte Zeichen mit der eingetragenen Marke gleichsetzen (BGH, Beschluss vom 20.01.2005 - Az. I ZB 31/03 - FERROSIL). Dies ist nicht der Fall, wenn der kennzeichnende Charakter durch Hinzufügung eines Zeichenbestandteils verändert wird (hier: rechtserhaltende Benutzung der Wortmarke "Puppenkiste" durch die Wortmarke "Augsburger Puppenkiste"). Soweit zu einer Wortmarke ein weiterer Wortbestandteil hinzugefügt wird, bleibt der kennzeichnende Charakter der zusammengesetzten Marke nur unverändert, wenn dem Zusatz keine eigene herkunftshinweisende Funktion zukommt, etwa weil dieser glatt beschreibend ist (BGH, Beschluss vom 09.07.1998 - I ZB 37/96 - Holtkamp).

5. Die rechtserhaltende Benutzung einer eingetragenen Marke kann nicht dadurch erfolgen, dass eine andere ebenfalls eingetragene Marke rechtserhaltend benutzt wird (Verweis auf: EuGH, Urteil vom 13.09.2007 - Az. C-234/06, Slg. 2007, I-7333 - II Ponte Finanziaria/HABM (BRAINBRIDGE)).

6. Die Benutzung eines Unternehmenskennzeichens stellt zugleich eine markenmäßige Benutzung dar, wenn die Funktion der Klagemarke beeinträchtigt wird oder beeinträchtigt werden kann. Ein rein firmenmäßiger Gebrauch ist demgegenüber keine Benutzungshandlung im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG (vgl. zu Art. 5 Abs. 1: EuGH, Urteil vom 16.11.2004 - Az. C-245/02, Slg. 2004, Slg. I-10989 - Anheuser Busch; EuGH, Urteil vom 11.09.2007 - Az. C-17/06, Slg. 2007, I-7041 - Celine; BGH Urteil vom 13.09.2007 - Az. I ZR 33/05, MIR 2008, Dok. 013 - THE HOME STORE).

7. Ortbezeichnungen fehlt dann die Kennzeichnungskraft, wenn sie beschreibend aufgefasst werden oder freihaltebedürftig sind (hierzu: EuGH, Urteil vom 04.05.1999 - Az. C-108 und 109/97, Slg. 1999, I-2779 - Chiemsee; EuG Urteil vom 15. 10. 2003 - Az. T-295/ 01 - Oldenburger).

8. Eine geographische Herkunftsbezeichnung verfügt dann über Kennzeichnungskraft, wenn sie von beachtlichen Teilen des Verkehrs nicht als bloß beschreibende Angabe aufgefasst wird, sondern als Warkenkennzeichen (BGHZ 139, 59, 65 - Fläminger; BGH, Urteil vom 26.04.2001 - Az. I ZR 212/ 98 - Bit/ Bud). Als Bestandteil eines Kombinationszeichens werden sie regelmäßig nur als Sachhinweis verstanden. Eine für sich genommen beschreibende Angabe kann aber dann als herkunftshinweisende Bedeutung erlangen und im Gesamteindruck des Kombinationszeichens nicht zu vernachlässigen sein oder dieses sogar dominieren, wenn das Gesamtzeichen aus kennzeichnungsschwachen Bestandteilen besteht.

9. Stimmen zwei Kombinationszeichen (hier: Augsburger Puppenkiste und Leipziger Puppenkiste) in einem originär kennzeichnungsschwachen Bestandteil überein und haben die weiteren unterschiedlichen, aus geographischen Bezeichnungen bestehenden Zeichenbestandteile ebenfalls herkunftshinweisende Bedeutung, ist regelmäßig nicht von Zeichenunähnlichkeit, sondern von einer geringen Zeichenähnlichkeit auszugehen.

10. Bei der Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn erkennt der Verkehr zwar die Unterschiede zwischen den Kollisionsmarken, stellt aber organisatorische oder wirtschaftliche Verbindungen zwischen den Markeninhabern her. Eine solche Verwechslungsgefahr kann nur bei Vorliegen besonderer Umständen angenommen werden (BGH Urteil vom 29.04.2004 - Az. I ZR 191/01 - Zwilling/Zweibrüder; BGH Beschluss vom 03.04.2008 - Az. I ZB 61/07 - SIERRA ANTIGUO). Die bloße Eignung eines Zeichens die Assoziation mit einem fremdem Kennzeichen hervorzurufen, reicht hierzu nicht aus.

11. Für die Anwendung von § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG genügt nicht, dass ein Zeichen geeignet ist, durch bloße Assoziation an ein fremdes Kennzeichen Aufmerksamkeit zu erwecken. Das angegriffene Zeichen muss vielmehr in relevantem Umfang gedanklich mit der bekannten Marke in Verbindung gebracht werden.

12. Der Namens- und Firmenschutz erstreckt sich auf Bestandteile, wenn diese - als Firmenschlagwort - selbst kennzeichnungskräftig sind. Der Bestandteil muss aber unterscheidungskräftig sein und seiner Art nach im Vergleich zu den übrigen Firmen- oder Namensbestandteilen geeignet erscheinen, sich im Verkehr als schlagwortartiger Hinweis auf das Unternehmen durchzusetzen (vgl. BGH Urteil vom 21.02.2002 - Az. I ZR 230/99 - defacto; BGH Urteil vom 14.02.2008 - Az. I ZR 162/04, MIR 2008, Dok. 253 - HEITEC).

13. Der Bestandteil "Puppenkiste" ist in dem Unternehmenskennzeichen "Augsburger Puppenkiste" zur Kennzeichnung eines Marionettentheaters originär kennzeichnungsschwach und deshalb ohne Benutzung in Alleinstellung nicht geeignet, sich im Verkehr als schlagwortartiger Hinweis auf das Unternehmen durchzusetzen.

14. Allein der Umstand, dass bei Eingabe eines Bestandteils eines Kombinationszeichens (hier: Puppenkiste) in einer Internet-Suchmaschine fast ausnahmslos Treffer erscheinen, die auf Angebote des Inhabers dieses Kombinationszeichens (hier: Augsburger Puppenkiste) hinweisen, deutet nicht auf eine Verkürzungstendenz des Verkehrs hin, mit der Folge, dass der betreffenden Bestandteil vom Verkehr bereits als Herkunftshinweis verstanden wird. Solche Umstände haben ihren Grund allein in der Arbeitsweise der Internet-Suchmschine. Gleiches gilt in der Regel auch für Verkürzungen in Überschriften von Presseberichten.

MIR 2009, Dok. 144


Anm. der Redaktion: Leitsätze 3, 9 und 13 sind die amtlichen Leitsätze des Gerichts.
Download: Entscheidungsvolltext PDF

Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 02.07.2009
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1986

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
dejure.org StellenmarktAnzeige