Rechtsprechung
BGH, Urteil vom 19.02.2009 - I ZR 135/06
ahd.de - Die Registrierung eines Domainnamens kann nur bei Vorliegen besonderer Umstände den Tatbestand einer unlauteren Mitbewerberbehinderung erfüllen und einen Anspruch auf Einwilligung in die Löschung des Domainnamens begründen.
UWG §§ 3, 4 Nr. 10 a.F.; MarkenG §§ 15 Abs. 2, 5 Abs. 2
Leitsätze:*1. Wird eine Domain zur geschäftlichen Verwertung reserviert stellt dies ein Handeln im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs dar. Für die
Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen zwei Marktteilnehmern reicht es insoweit aus, dass diese sich denselben Domainnamen für sich
registrieren lassen wollen.
2. Die Registrierung eines unterscheidungskräftigen, vom Verkehr nicht zugleich als Gattungsbegriff verstandenen Zeichens (hier: ahd.de) als
Domainname ist grundsätzlich geeignet Mitbewerber in ihren wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten einzuschränken (hier: Registrierung des Unternehmenskennzeichens "ahd" als Domain). Der Umstand, dass ein Mitbewerber wegen der Registrierung des Domainnamens durch einen anderen daran gehindert ist, diesen für sein Unternehmen zu nutzen
ist indes Folge des bei der Vergabe von Domainnamen geltenden Prioritätsprinzips und grundsätzlich hinzunehmen.
3. Soweit der Domaininhaber bei der Registrierung oder dem Halten des Domainnamens rechtsmissbräuchlich handelt, ist es ihm jedoch verwehrt
sich auf die grundsätzlich zu seinen Gunsten ausgehende Interessenabwägung zu berufen. Ein Rechtsmisbrauch ist inbesondere dann anzunehmen,
wenn der Domaininhaber den Domainnamen ohne ernsthaften Benutzungswillen registriert hat, um sich diesen später von dem Inhaber eines
entsprechenden Kennzeichen- oder Namensrechts abkaufen zu lassen (BGH, Urteil vom 24.04.2008 - Az. I ZR 159/05 - afilias.de =
MIR 2008, Dok. 310, Rz. 33 - afilias.de).
4. Die Registrierung eines Domainnamens kann nur bei Vorliegen besonderer Umstände den Tatbestand einer unlauteren Mitbewerberbehinderung
erfüllen und einen Anspruch auf Einwilligung in die Löschung des Domainnamens begründen.
Solche Umstände liegen nicht schon vor, wenn der Domaininhaber eine Vielzahl von Domainnamen auf sich registrieren lässt, um sie potentiellen
Interessenten zum Kauf oder zur entgeltlichen Nutzung anzubieten, und ein einem dieser Domainnamen entsprechendes Unternehmenskennzeichen
eines Dritten erst nach der Registrierung des Domainnamens in Gebrauch genommen wird, wenn für den Domaininhaber zum Registrierungszeitpunkt
kein besonderes Interesse eines bestimmten Unternehmens erkennbar war, gerade einen dieser Geschäftsbezeichnung entsprechenden Domainnamen zu verwenden.
5. Die Grundsätze zur unlauteren Behinderung von Mitbewerbern durch die rechtsmissbräuchliche Anmeldung von Marken sind auf den Erwerb und das Halten von
Domainnamen übertragbar (vgl.: BGH, Urteil vom 23.11.2000 - Az. I ZR 93/98, GRUR 2001, 242 - Classe E).
6. Die Benutzung eines Domainnamens im geschäftlichen Verkehr kann eine kennzeichenmäßige Verwendung darstellen, wenn der Vekehr in dieser Verwendung
nicht nur eine bloße Adressbezeichnung, sondern einen Hinweis auf das Unternehmen oder auf die betriebliche Herkunft von Waren oder Dienstleistungen aus
einem bestimmten Unternehmen sieht.
7. Ein erst nach Registrierung eines Domainnamens entstehendes Namens- oder Kennzeichenrecht (hier: Unternehmenskennzeichen) eines
Dritten setzt sich nicht ohne weiteres gegenüber dem Nutzungsrecht des Domaininhabers durch (vgl. BGH MIR 2008, Dok. 310 - afilias.de).
Hieraus folgt indes nur, dass der Inhaber des später entstandenen Namens- oder Kennzeichensrechts dem Domaininhaber nicht schon allein
unter Berufung auf sein Recht jedwede Nutzung und das Reistrierthalten des Domainnamens untersagen kann, solange keine Anhaltspunkte
für eine rechtsverletzende Verwendung des Domainnamens vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 02.12.2004 - Az. I ZR 207/01, WRP 2005, 893 - weltonline.de).
8. Kennzeichenrechtliche Ansprüche (hier: § 15 MarkenG) gehen in ihrem Anwendungsbereich dem Namensschutz von § 12 BGB vor (BGH, Urteil vom 09.09.2004 - I ZR 65/02, WRP 2005, 488 - mho.de; BGH MIR 2008, Dok. 310). Wettbewerbsrechtliche Ansprüche können neben Ansprüchen aus Kennzeichenrecht stehen, wenn sie sich gegen ein wettbewerbswidriges Verhalten richten, das als solches nicht Gegenstand der kennzeichenrechtlichen Regelung ist (vgl. BGH, Urteil vom 30.10.2003 - I ZR 236/97, WRP 2004, 360 - Davidoff II).
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 02.06.2009
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1965
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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