Rechtsprechung
BGH, Urteil vom 03.02.2009 - VI ZR 36/07
Zum Schutz der Meinungsfreiheit bei kritischen Äußerungen über ein Unternehmen.
BGB §§ 823, 1004 Abs. 1; GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2
Leitsätze:*1. Ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung bzw. Werturteil einzustufen ist, ist unter
Ermittlung des vollständigen Aussagegehalts zu beurteilen. Insbesondere muss jede Äußerung in dem Gesamtzusammenhang
beurteilt werden, in dem sie gefallen ist und darf nicht aus dem betreffenden Kontext herausgelöst und einer
rein isolierten Betrachtung zugeführt werden. Aus einer komplexen Äußerung dürfen nicht Sätze und Satzteile mit
tatsächlichem Gehalt herausgegriffen und als unrichtige Tatsachenbehauptungen untersagt werden, wenn die
Äußerung nach ihrem Gesamtzusammenhang in den Schutzbereich des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 GG
fallen kann und in diesem Fall eine Abwägung zwischen den verletzten Grundrechtspositionen erforderlich wird
(vgl. BGH, Urteil vom 25.03.1997 - Az. VI ZR 102/96; BGH, Urteil vom 16.11.2004 - VI ZR 298/03; BGH Urteil vom 02.12.2008 - VI ZR 219/06 =
MIR 2009, Dok. 023).
2. Der Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 GG erstreckt sich auch auf die Äußerungen von Tatsachen, soweit sie Dritten zu Meinungsbildung
dienen können und auf solche Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen und die insgesamt durch die Elemente der
Stellungnahme, des Dafürhaltens und Meinens geprägt werden (vgl.
BGH, Urteil vom 05.12.2006 - Az. VI ZR 45/05 = MIR 2007, Dok. 022;
BGH, Urteil vom 11.03.2008 - Az. VI ZR 189/06; BGH, Urteil vom 22.04.2008 - Az. VI ZR 83/07).
3. Ein Unternehmen, an dem und dessen Geschäftstätigkeit ein besonderes Interesse der Öffentlichkeit besteht (hier: aufgrund der Beteiligung staatlicher und kommunaler Stellen), muss auch eine möglicherweise polemische und überspitzte Kritik hinnehmen. Dies kann auch dann gelten, wenn die konkret beanstandeten Äußerungen grundsätzlich geeignet sind,
das Unternehmen in seinem öffentlichen Ansehen erheblich zu beeinträchtigen und dessen geschäftliche Tätigkeit zu erschweren.
4. Zum Schutz der Meinungsfreiheit bei kritischen Äußerungen über ein Unternehmen.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 28.05.2009
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1962
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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