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Rechtsprechung



OLG Schleswig, Beschluss vom 05.01.2009 - 1 W 57/08

"Kennst Du mich noch?" - Zur Streitwertbemessung im Fall des E-Mail-Spam und zur Zurechnung von eigenen, die Beeinträchtigung verstärkenden, Handlungen des Unterlassungsgläubigers zu Lasten des Unterlassungschuldners.

BGB §§ 1004, 823; BDSG § 34 BDSG

Leitsätze:*

1. Bei der Bemessung des Streitwerts für einen Unterlassungsanspruch wegen E-Mail-Spam ist nicht nur die Belästigung im Einzelfall durch das notwendige Durchlesen, Sortieren und gegebenenfalls Löschen der E-Mails, sondern auch die Breitenwirkung und die Häufigkeit von Spam-Mails zu berücksichtigen, die in ihrer Gesamtheit das Ausmaß der Belästigung erst bestimmen. Dem Absender von Spam-Mails ist bewusst, dass er sich einer von den Betroffenen mindestens als belästigend empfundenen Vorgehensweise bedient. Im Hinblick auf die Nachahmungsgefahr ist daher mit der Streitwertfestsetzung auch ein Abschreckungseffekt für die Zukunft beabsichtigt.

2. Eine vom Betroffene in seinem E-Mail-Account eingerichtete SMS-Benachrichtigung über eingehende E-Mails verstärkt die Belästigung des Empfängers durch eingehende Spam-E-Mails. Das der Betroffene eine solche Benachrichtigung selbst veranlasst hat, steht dem nicht entgegen. Die Zurechnung der gesamten, durch den E-Mail-Spam ausgelösten Belästigung widerspricht in einem solchen Fall nicht Treu und Glauben und ist bei der Bemessung des Streitwerts zu berücksichtigen. Eigene - die Beeinträchtigung verstärkende - Handlungen des Unterlassungsgläubigers können die Zurechnung zur Handlung des Unterlassungsgläubigers nur entfallen lassen, wenn sie derart ungewöhnlich sind, dass eine Zurechnung Treu und Glauben widerspräche (hier: für SMS-Benachrichtigungen verneint).

3. Die Belästigung durch eine ungewollt zugesandte SMS-Nachricht ist stärker als die durch Spam-E-Mails. E-Mails können gesammelt und dann zu beliebiger Zeit gelesen werden, während SMS den Empfänger sofort und in jeglicher Situation erreichen.

4. Im Fall der einmaligen Zusendung einer Spam-E-Mail und der hierdurch ausgelösten SMS-Benachrichtigung des Empfängers ist ein Streitwert von 4.500,00 EUR als angemessen anzusehen. Für das Verfügungsverfahren sind insoweit 2/3 des Hauptsachewertes (3.000,00 EUR) - anzusetzen.

5. Die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung eines Verfügungsurteils nach § 890 ZPO stellt gegenüber dem Hauptsacheverfahren keinen einfacheren Weg zur Erreichung des Klageziels dar; die Rechtsverfolgung im Hauptsacheverfahren ist nicht mutwillig im Sinne von § 114 ZPO. Das Rechtschutzbedürfnis des Verfügungsklägers für eine Hauptsacheklage entfällt nur dann, wenn der Verfügungsbeklagte auf alle Rechte gegen die einstweilige Verfügung - etwa im Rahmen einer entsprechenden Abschlusserklärung - verzichtet.

MIR 2009, Dok. 022


Download: Entscheidungsvolltext PDF

Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 28.01.2009
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1863

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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