Rechtsprechung
BVerfG, Beschluss vom 05.12.2008 - 1 BvR 1318/07
Dummschwätzer - Die Bezeichnung einer Person mit dem Begriff "Dummschwätzer" stellt zwar eine Ehrverletzung dar, nicht aber eine solche, die ihrem Bedeutungsgehalt nach unabhängig vom Verwendungskontext stets als Schmähkritik des Betroffenen anzusehen ist.
GG Art. 5 Abs. 1 Satz 1; StGB § 185
Leitsätze:*1. Der Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit umfasst grundsätzlich auch die polemische
oder verletzende Formulierung einer Aussage (BVerfGE 54, 129; BVerfGE 93, 266).
2. Zwar hat bei herabsetzenden Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen, die Meinungsfreiheit
regelmäßig hinter dem Ehrenschutz zurückzutreten (BVerfGE 82, 43; BVerfGE 85, 1; BVerfGE 90, 241; BVerfGE 93, 266; BVerfGE 99, 185).
Eine überzogene oder ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen allerdings noch nicht zur Schmähung.
Eine so genannte Schmähkritik, die regelmäßig hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückzustehen hat, liegt erst dann vor,
wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern - jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik - die Diffamierung
der betroffenen Person im Vordergrund steht (vgl. hierzu: BVerfGE 82, 272; BVerfGE 85, 1; BVerfGE 93, 266; BVerfG, Beschluss vom 23.08.2005 - Az.
1 BvR 1917/04, NJW 2005, 3274). Hierbei ist der Begriff der Schmähkritik eng definiert, da er die Meinungsfreiheit verdrängt.
3. Grundsätzlich ist bei der Qualifikation einer ehrenrührigen Aussage als Schmähkritik Anlass und Kontext der Äußerung zu berücksichtigen.
Hierauf kann allenfalls dann verzichtet werden, wenn der diffamierende Gehalt der Äußerung so erheblich ist, dass sie in jedem denkbaren
Sachzusammenhang als bloße Herabsetzung des Betroffenen erscheint und daher unabhängig von ihrem konkreten Kontext stets als persönlich
diffamierende Schmähung aufgefasst werden muss (etwa: schwerwiegende Schimpfwörter, Fäkalsprache).
4. Die Bezeichnung einer Person mit dem Begriff "Dummschwätzer" stellt zwar eine Ehrverletzung dar, nicht aber eine solche, die ihrem
Bedeutungsgehalt nach unabhängig vom Verwendungskontext die bezeichnete Person stets als ganze herabsetzt und ihr den personalen Wert insgesamt abspricht.
5. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass die Bezeichnung einer Person mit dem Begriff "Dummschwätzer" im Einzelfall eine Schmähkritik darstellen
kann. Stellt sich die Verwendung dieses Begriffes bzw. Schimpfwortes aber nur als sprachlich pointierte Bewertung im Kontext einer bestimmten
Aussage des Betroffenen dar und wird der Betroffene als "Dummschwätzer" tituliert, weil er nach Auffassung des Äußernden dumme Aussagen
getroffen hat, ist hiervon nicht auszugehen.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 11.01.2009
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1849
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 11.01.2022 - 6 W 102/21, MIR 2022, Dok. 012
ASCONI - Indizien für das Vorliegen einer Hinterhaltsmarke (hier Einsatz einer unbenutzten Marke zur umfangreichen Rechtsverfolgung)
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 03.05.2021 - 6 W 31/21, MIR 2021, Dok. 084
Keine Bedeutung von § 8c Abs. 2 Nr. 3 UWG für die Streitwertfestsetzung
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 15.11.2021 - 6 W 90/21, MIR 2021, Dok. 095
Amazon-Partnerprogramm - Keine wettbewerbsrechtliche Haftung für Affiliate-Partner bei Verstößen im Rahmen deren eigenen Produkt- oder Dienstleistungsangebots
Bundesgerichtshof, MIR 2023, Dok. 009
Weniger als 100 Mitarbeiter und Verstoß gegen gesetzliche Infomations- und Kennzeichnungspflichten - Keine Veranlassung zur Verfahrenseinleitung trotz nicht strafbewehrter Unterlassungserklärung
OLG Hamm, Beschluss vom 06.02.2024 - 4 W 22/23, MIR 2024, Dok. 024