Rechtsprechung
BGH, Urteil vom 13.03.2008 - I ZR 151/05
Metrosex - Die Anmeldung und die Eintragung eines Zeichens als Marke stellen als solche noch keine kennzeichenmäßige Benutzung des Zeichens für die in Anspruch genommenen Waren oder Dienstleistungen dar. Unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr kann jedoch ein vorbeugender Unterlassungsanspruch in Betracht kommen.
MarkenG § 14 Abs. 2, § 15 Abs. 2 und 3
Leitsätze:*1. Die Anmeldung und die Eintragung eines Zeichens als Marke stellen als solche noch keine kennzeichenmäßige
Benutzung des Zeichens für die in Anspruch genommenen Waren oder Dienstleistungen dar, so dass darin noch
keine Verletzung eines prioritätsälteren Kennzeichens i.S. von § 14 Abs. 2, § 15 Abs. 2 und 3 MarkenG liegt.
Sie können jedoch unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch
des Inhabers des älteren Zeichenrechts begründen.
2. Die Registrierung eines Domainnamens stellt noch keine Benutzung der betreffenden Bezeichnung im geschäftlichen
Verkehr und damit auch keine Verletzung eines mit dieser Bezeichnung identischen oder ähnlichen Kennzeichenrechts dar
(BGH, Urteil vom 02.12.2004 - Az. I ZR 207/01, WRP 2005, 893 - weltonline.de).
3. Ein auf Erstbegehungsgefahr gestützter vorbeugender Unterlassungsanspruch besteht nur, soweit ernsthafte und greifbare
tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, der Anspruchsgegner werde sich in naher Zukunft rechtswidrig verhalten
(vgl. BGH, Urteil vom 16.01.1992 - Az. I ZR 84/90, WRP 1992, 314 - Jubiläumsverkauf; BGH Urteil vom 14.07.1993 - Az. I ZR 189/91,
WRP 1993, 749 - Geld-zurück-Garantie; BGH, Urteil vom 15.04.1999 - Az. I ZR 83/97, WRP 1999, 1133 - Preissturz ohne Ende;
BGH, Urteil vom 31.05.2001 - Az. I ZR 106/99, WRP 2001, 1076 - Berühmungsaufgabe, m.w.N.).
Dabei muss sich die Erstbegehungsgefahr auf eine konkrete Verletzungshandlung beziehen. Die Erstbegehungsgefahr
begründenden Umstände müssen die drohende Verletzungshandlung so konkret abzeichnen, dass sich für alle Tatbestandsmerkmale
zuverlässig beurteilen lässt, ob sie verwirklicht sind (vgl. BGH, Urteil vom 30.01.1970 - Az. I ZR 48/68 - Löscafé).
4. Aus der Tatsache, dass ein Domainname von einem kaufmännischen Unternehmen angemeldet worden ist, kann nicht hergeleitet werden,
dass bei einer Verwendung des Domainnamens neben dem Handeln im geschäftlichen Verkehr notwendig auch die weiteren Voraussetzungen
der § 14 Abs. 2, § 15 Abs. 2 MarkenG erfüllt sind (etwa: Verwechslungsgefahr, kennzeichenmäßige Verwendung).
5. Aufgrund der Anmeldung eines Zeichens als Marke ist im Regelfall zu vermuten, dass eine Benutzung des Zeichens für die
eingetragenen Waren oder Dienstleistungen in naher Zukunft bevorsteht, wenn keine konkreten Umstände vorliegen, die gegen eine
solche Benutzungsabsicht sprechen (vgl. BGH, Urteil vom 15.01.2004 - Az. I ZR 121/01, WRP 2004, 763 - d c-fix/CD-FIX, m.w.N.).
Die drohende Benutzung für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen kann dann die drohende Gefahr der Verletzung eines mit
der Marke identischen oder ihr ähnlichen Kennzeichens nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 und 2, § 15 Abs. 2 MarkenG begründen.
6. Anders als für die durch eine Verletzungshandlung begründete Wiederholungsgefahr besteht für den Fortbestand der
Erstbegehungsgefahr keine Vermutung (vgl. BGH, Urteil vom 23.02.1989 - Az. I ZR 18/87, WRP 1989, 496 - Kachelofenbauer I).
Für die Beseitigung der Erstbegehungsgefahr genügt daher grundsätzlich ein "actus contrarius", also ein der Begründungshandlung
entgegengesetztes Verhalten.
7. Für einen (Unterlassungs-) Anspruch aus Namensrecht (§ 12 BGB - hier wegen der Registrierung eines Domainnamens)
ist erforderlich, dass hiermit eine erhebliche Beeinträchtigung der aus dem Kennzeichenrecht fließenden namensrechtlichen Befugnisse verbunden
ist (vgl. BGHZ 149, 191, 198, 201 - shell.de; BGH GRUR 2005, 687, 689 - weltonline.de).
8. Das bloße Halten eines Domainnamen stellt nicht schon für sich gesehen eine (Marken-) Rechtsverletzung dar (vgl.
BGH, Urteil vom 19.07.2007 - Az. I ZR 137/04 - Euro Telekom =
MIR 2007, Dok. 322).
Dies gilt auch dann, wenn der Domaininhaber als juristische Person stets im geschäftlichen Verkehr handelt.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 27.08.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1734
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
BGH, Urteil vom 14.07.2022 - VII ZR 255/21, MIR 2022, Dok. 059
Werbung für Produkte mit dem Begriff "klimaneutral" nicht ohne Weiteres irreführend
Oberlandesgericht Düsseldorf, MIR 2023, Dok. 047
Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen über die Lieferung und Montage eines Kurventreppenlifts
Bundesgerichtshof, MIR 2021, Dok. 081
Ein "empfindliches Ordnungsgeld" ist nix - Keine Beschwer (betreffend der Festsetzung des Ordnungsgeldes), wenn im Ordnungsmittelantrag weder ein konkreter Betrag noch eine ungefähre Größenordnung angegeben wurde
BGH, Beschluss vom 23.11.2023 - I ZB 29/23, MIR 2024, Dok. 002
Koch Media - Deckelung des Gegenstandswerts nach § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG auf EUR 1000,00 mit Unionsrecht vereinbar
EuGH, Urteil vom 28.04.2022 - C-559/20, MIR 2022, Dok. 039