Rechtsprechung
Hanseatisches OLG, Urteil vom 25.06.2008 - 5 U 13/07
Nur die halbe Wahrheit - Die Werbung für Mobilfunktarife mit den Aussagen "Keine Grundgebühr" und "Kostenlos Mobilnummer mitnehmen" kann irreführend sein, wenn gleichwohl eine "Administrationsgebühr" bei Unterschreiten eines Mindestumsatzes anfällt und Portierungsgebühren bei dem alten Mobilfunkprovider des Kunden nicht erstattet werden.
UWG §§ 3, 5, 8 Abs. 1, Abs. 3
Leitsätze:*1. Eine Werbung mit der Aussage "Keine Grundgebühr" ist irreführend, wenn die angesprochenen Verkehrskreise darüber
irregeführt werden, dass zwar keine "klassische" Grundgebühr (hier: für einen Mobilfunkanschluss) erhoben wird, gleichwohl
aber eine "Administrationsgebühr" anfällt, wenn in einem bestimmten Zeitraum (hier: 3 Monate) ein gewisser Mindestumsatz
nicht erreicht wird.
2. Ist eine Blickfangwerbung nicht objektiv unrichtig, enthält aber nur die "halbe Wahrheit", muss ein Sternchenhinweis
oder ein anderes hinreichend deutliches Zeichen den Betrachter zu dem aufklärenden Hinweis führen (hier: Aufklärung darüber, dass
zwar tatsächlich keine Grundgebühr im eigentlichen Sinne, allerdings eine Administrationsgebühr bei Unterschreiten eines bestimmten
Mindestumsatzes anfällt). Wird nur der für den Verbraucher attraktive Teil des Geschäfts blickfangmäßig herausgestellt
(hier: "Keine Grundgebühr"), trifft den Werbenden eine aus dem Irreführungsverbot abzuleitende Pflicht, andere belastende
Preisbestandteile (hier: "Administrationsgebühr") klar zugeordnet und ähnlich deutlich herauszustellen.
3. Die werbende Aussage "Kostenlos Mobilnummer mitnehmen" verstehen relevante Teile der angesprochenen Verkehrskreise dahingehend, dass
keinerlei Kosten anfallen. Eine solche Aussage ist daher irreführend, weil dem Kunden Kosten bei seinem bisherigen Mobilfunkprovider
entstehen können, da einige Anbieter von ihren Kunden eine Gebühr in Gestalt einer so genannten "Portierungsgebühr" verlangen, wenn
diese ihre Mobilfunknummer zu einem anderen Anbieter "mitnehmen" wollen. Die Aussage "Kostenlos Mobilnummer mitnehmen" kann daher dahingehend
interpretiert werden, dass gegebenenfalls anfallende "Portierungskosten" aus dem früheren Vertragsverhältnis durch den Werbenden
erstattet werden. Hierin liegt auch nicht nur eine fern liegende Verständnismöglichkeit.
4. Im Fall der Mehrdeutigkeit einer Werbeaussage muss der Werbende die verschiedenen Bedeutungen gegen sich gelten lassen. Auch
bei unbewusster Mehrdeutigkeit muss er die ungünstigere, aber verständigerweise mögliche Auslegung gegen sich gelten lassen.
5. "Werbung" im Sinne von § 5 UWG bedeutet jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder
freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen,
Rechte und Verpflichtungen zu fördern, soweit die fragliche Äußerung im Zusammenhang mit einer unternehmerischen Tätigkeit
fallen.
6. Von Blickfangwerbung spricht man, wenn im Rahmen einer Gesamtankündigung einzelne Angaben im Vergleich zu den sonstigen
Angaben besonders herausgestellt sind, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu erwecken.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 14.08.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1717
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
OLG Nürnberg, Urteil vom 21.12.2021 - 3 U 3716/21, MIR 2022, Dok. 004
Zur Pfändung einer .de-Domain mit der DENIC eG als Drittschuldnerin und zur Position des Gläubigers als zu registrierender Domaininhaber
BGH, Urteil vom 11.10.2018 - VII ZR 288/17, MIR 2018, Dok. 053
Cookie-Banner - Zur (unzulässigen) Gestaltung von Cookie-Bannern unter den Aspekten der Aufgeklärtheit, Eindeutigkeit, Transparenz und Freiwilligkeit der Einwilligung im Sinne von § 25 Abs. 1 TTDSG, Art. 4 Nr. 11 DSGVO
OLG Köln, Urteil vom 19.01.2024 - 6 U 80/23, MIR 2024, Dok. 025
Verpflichtung zur telefonischen Kündigungsbestätigung unzulässig - Die Mitteilung an Verbraucher, eine (online) erklärte Kündigung sei telefonisch zu bestätigen, kann eine wettbewerbswidrige Irreführung darstellen
Landgericht Koblenz, MIR 2024, Dok. 031
Rückzahlung der Vertragsstrafe - Zum Anspruch auf Rückzahlung einer gezahlten Vertragsstrafe, von Abmahnkosten und Erstattung von Rechtsanwaltskosten für die Kündigung eines Unterlassungsvertrages
OLG Köln, Urteil vom 09.12.2022 - 6 U 46/22, MIR 2023, Dok. 001