Rechtsprechung
OLG Köln, Urteil vom 08.02.2008 - 6 U 149/07
Direktvertriebssystem - Zur Zurechnung von Wettbewerbsverstößen selbständiger Geschäftpartner nach § 8 Abs. 2 UWG im Rahmen eines internetbasierten Direktvertriebssystems.
UWG § 8 Abs. 2
Leitsätze:*1. Sind selbständige Geschäftspartner im Rahmen eines Direktvertriebssystems (hier: über das Internet) derart in die betriebliche
Organisation des Auftraggebers eingegliedert, das der Auftraggeber auf sie einen bestimmenden, durchsetzbaren Einfluss ausüben kann
und der Erfolg der Geschäftstätigkeit der Handelnden (Geschäftspartner) dem Auftraggeber zugute kommt (hierzu: BGB GRUR 2005, 864, 865 -
Meißner Dekor II; BGH GRUR 1990, 1029, 1040 - Anzeigenauftrag), muss sich der Auftraggeber unlauteres Verhalten der Geschäftspartner
nach § 8 Abs. 2 UWG grundsätzlich zurechnen lassen.
2. Bei § 8 Abs. 2 UWG handelt es sich um eine Erfolgshaftung ohne Entlastungsmöglichkeit (BGH GRUR 2000, 907, 909 - Filialleiterfehler).
Der Unternehmensinhaber kann sich nicht darauf berufen, er habe die Zuwiderhandlung seines Beauftragten nicht verhindern können
bzw. er habe alles Zumutbare getan, um den Verstoß zu verhindern. Im Rahmen von § 8 Abs. 2 UWG sind keine Zumutbarkeitserwägungen
anzustellen. Wer viele Hilfspersonen einschaltet und davon profitiert, muss umgekehrt auch die damit verbundenen Risiken, die
in seinem Geschäftsbereich begründet sind, tragen (vgl. hierzu auch: BGH GRUR 2007, 995 - Schuldnachfolge).
3. Allein die Überschreitung der Grenzen des vertraglich Zulässigen macht eine Handlung eines Beauftragten noch nicht zu einer
privaten, mit der Folge, dass dieser nicht "im Unternehmen" des Auftraggebers gehandelt hat. Zwar werden rein private Handlungen
von der Haftung des § 8 Abs. 2 UWG nicht erfasst (BGH WRP 2007, 1356 - Gefälligkeit; BGH GRUR 1995, 605, 608 - Franchise-Nehmer).
Genügte hierfür aber die bloße Überschreitung vertraglicher Grenzen, wäre es dem Unternehmer ein Leichtes, auf vertraglicher
Ebene seinen Mitarbeiter oder Beauftragten jegliches unlautere Verhalten zu verbieten und sich damit aus der Haftung
zu entziehen.
4. Entscheidend für den Anwendungsbereich von § 8 Abs. 2 UWG im Hinblick auf das Handeln des Beauftragten muss vielmehr sein, ob
das Handeln des Beauftragten noch im Zusammenhang mit seiner sonstigen Tätigkeit als Beauftragter oder außerhalb dieser steht
(Hier bejaht. Es erschienen auf einer Webseite eines Vertriebs- bzw. Geschäftspartners wettbewerbswidrige Anzeigen).
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 31.07.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1703
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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