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Rechtsprechung



LG Stuttgart, Beschluss vom 06.03.2008 - 17 O 68/08

Urheberrechtlicher Schutz für Mustervertrag? - Zu den Anforderungen an die urheberrechtliche Schutzfähigkeit eines Vertragswerkes.

UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2, §§ 4, 87a; UWG §§ 3, 4 Nr. 9

Leitsätze:*

1. Ein Vertragswerk ist grundsätzlich nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG geschützt. Ein Vertrag ist keine "Darstellung" die sich ausschließlich auf Ausdrucksmittel außerhalb der Sprache bzw. Schrift bezieht.

2. Bei nicht-literarischen Sprachwerken im Sinn von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG , die einem praktischen Gebrauchszweck dienen (hier: Vertrag), sind weder die alltägliche, handwerklich saubere Gestaltung noch die darüber hinausgehende, besonders gelungene Schöpfung geschützt. Auch gut durchdachte, strukturiert aufgebaute und stilistisch gelungene Vertragswerke genießen keinen Urheberschutz. Dessen Schutzuntergrenze beginnt vielmehr erst, wenn der Vertrag und die Gestaltungstätigkeit gegenüber der Durchschnittgestaltung, d.h. einer Reihe von vergleichbaren Verträgen, weit überragt. Das bloße Überragen des rein Handwerklichen und Alltäglichen genügt hierbei nicht. (OLG Stuttgart, Beschluss vom 07.02.2008, Az. 4 U 221/07). Gerade zutreffend und präzise formulierte Vertragsformulierungen müssen für die Allgemeinheit frei bleiben.

3. Standardformulierungen und durchschnittlichen Schriftstücken auf wissenschaftlichem bzw. juristischem Gebiet fehlt die Werksqualität (BGH Urteil vom 10.10.1991, Az. I ZR 147/89 - Bedienungsanweisung; BGH Urteil vom 17.04.1986, Az. I ZR 213/83 - Anwaltsschriftsatz; BGH Urteil vom 21.11.1980, Az. I ZR 106/78 - Staatsexamenshausarbeit). Nur besondere Leistungen bei der Zusammenstellung von Inhalten (BGH Urteil vom 21.11.1991, Az. I ZR 190/89 - Leitsätze), Themen (BGH Urteil vom 12.07.1990, Az. I ZR 16/89 - Themenkatalog) oder bei der anschaulichen Umsetzung eines komplexen technischen Sachverhalts (BGH Urteil vom 11.04.2002, Az. I ZR 231/99 - technisches Regelwerk) rechtfertigen es, eine herausragende und urheberrechtlich zu schützende Gestaltung anzunehmen. Speziell bei Verträgen ist Urheberschutz nur anzunehmen, wenn es sich um besonders komplexe, aufwendige und umfangreiche Verträge handelt (etwa: Anlageverträge in Immobilienanlageprogrammen und Gesellschaftsverträge; vgl. LG Hamburg Urteil vom 04.06.1986, Az. 74 O 283/85 - Gesellschaftsvertrag; LG Köln v. 21.11.1986, Az. 28 O 291/86 - Vertragswerk).

4. Die Regelungsmaterie eines speziellen Vertrags (hier: Vermittlung von polnischen Pflegekräften) und die eventuelle Neuheit der betreffenden Materie sowie die Mühe der Erstellung bieten keine ausreichende Grundlage zur Annahme einer urheberrechtlichen Werksqualität. Die hinter den Formulierungen eines wissenschaftlichen Werkes bzw. Vertrages stehenden (juristischen) sog. Lehren und damit auch die in einem Vertag geregelte rechtliche Materie, sind stets frei und begründen keinen urheberrechtlichen Schutz (vgl. etwa BGH, Urteil vom 12.07.1990 - Az. I ZR 16/98 - Themenkatalog). Auch im Fall der Neuheit begründen derartige "Erfindungen" keine Ausschließlichkeitsstellung.

5. Erfüllt eine Handlung nicht den Tatbestand einer Urheberrechtsverletzung, ist zwar die Anwendung des § 3 i.V.m. § 4 Nr. 9 UWG nicht ausgeschlossen. Allerdings müssen besondere, außerhalb der Sondertatbestände des Urheberrechtsgesetzes liegende Umstände hinzutreten, um die Unlauterkeit zu begründen (hier verneint).

MIR 2008, Dok. 187


Download: Entscheidungsvolltext PDF

Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 20.06.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1652

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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