Rechtsprechung
OLG München, Urteil vom 06.12.2007 - 29 U 4013/07
"weitgehend passende Keywords" - Die Schaltung einer AdWords-Anzeige mit einem zu einem geschützten Zeichen "weitgehend passenden Keyword" kann eine kennzeichenmäßige Verwendung dieses Zeichens darstellen.
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 6; BGB § 276 Abs. 1 Satz 2
Leitsätze:*1. Die Schaltung einer AdWords-Anzeige mit einem, zu einem geschützten Zeichen
"weitgehend passenden Keyword" kann eine kennzeichenmäßige Verwendung dieses Zeichens darstellen.
2. Die Frage einer kennzeichenmäßigen Benutzung bestimmt sich nach der Auffassung des Verkehrs, und zwar
eines durchschnittlich informierten, verständigen und aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers (vgl. BGH
GRUR 2005, 419, 421 - Räucherkarte); im Falle von AdWords-Werbung also nach der Auffassung eines durchschnittlich informierten, verständigen und aufmerksamen Durschnittsnutzers der Internet-Suchmaschine "Google".
3. Soweit die Annahme einer kennzeichenmäßigen Verwendung eines geschützten Zeichens als Keyword für die Schaltung
einer AdWords-Anzeige im oberen Bereich der Google-Suchergebnisseiten in Streit steht, ist nicht davon auszugehen, dass
der Durchschnittsnutzer der Internet-Suchmaschine "Google" diese Anzeigenspalte als von der Suchfunktion getrennte Werbeplattform
zahlender Werbetreibender wahrnimmt, mit der Folge, dass er nicht annimmt, dass der Werbende mit dem Inhaber der
Zeichenrechte identisch oder auch nur geschäftlich verbunden ist.
4. Durch die (automatisierte) Wahl eines, zu einem geschützten Zeichen "weitgehend passenden Keywords" macht sich der
Werbende die für Kennzeichen spezifische Lotsenfunktion zunutze, die darin besteht, in einem großen Angebot
zutreffend gezielt zu den eigenen Waren bzw. Dienstleistungen hinzuführen
(BGHZ 168, 28 - Impuls; BGH, Urteil vom 08.02.2007, Az. I ZR 77/04 - Aidol, jeweils zu "Metatag";
OLG Braunschweig, Beschluss vom 05.12.2006 - Az. 2 W 23/06; OLG Braunschweig, Beschluss vom 11.12.2006 - Az. 2 W 177/06;
OLG Braunschweig, Urteil vom 12.07.2007 - Az. 2 U 24/07; OLG Dresden, Urteil vom 09.01.2007 - Az. 14 U 1958/06 = K&R 2007, 269;
OLG Stuttgart, Urteil vom 09.08.2007 - Az. 2 U 23/07; jeweils zu Adword-Anzeigen). Durch die Verwendung des fremden
Kennzeichens will das werbende Unternehmen - nicht anders als bei Metatags - diejenigen Nutzer erreichen, die nach dem Angebot des
Kennzeicheninhabers suchen. Damit dient das Keyword auch der Unterscheidung des Angebots.
5. Einem mittels AdWords-Anzeigen Werbenden kann es (je nach Sachlage) zumutbar sein, zur Vermeidung von Kennzeichenverletzungen, Kennzeichenrechte Dritter
verletzende Keywords auszuschließen (§ 276 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dies gilt auch bei Verwendung der Option "weitgehend passende Keywords".
6. Eine markenrechtliche Abmahnung wegen Kennzeichenverletzungen durch Google AdWords-Anzeigen kann eine 1,8 Geschäftsgebühr
rechtfertigen, da eine solche Abmahntätigkeit die intensive Auseinandersetzung mit der in Rechtsprechung und Literatur
kontrovers diskutierten Frage der kennzeichenmäßigen Verwendung eines Suchbegriffs im Rahmen einer AdWords-Anzeige (in
Abgrenzung zum Metatag) voraussetzt.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 17.05.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1619
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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