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Rechtsprechung



OLG Jena, Urteil vom 27.02.2008 - 2 U 319/07

Thumbnails & Google-Bildersuche - Zur Zulässigkeit der Umgestaltung und Verwertung von urheberrechtlich geschützen Bildern in den Ergebnislisten einer Bildersuchmaschine als Thumbnails und zur Rechtsmissbräuchlichkeit der Geltendmachung eines diesbezüglichen Unterlassungsanspruchs wegen Suchmaschinenoptimierung.

UrhG §§ 23, 24, 44a, 51, 53, 58 Abs. 1, 97 Abs. 1; BGB § 242

Leitsätze:*

1. Bei Thumbnails handelt es sich um sonstige Umgestaltungen eines Werkes (hier: Bilder auf einer Internetseite) im Sinne von § 23 UrhG. Sie weisen als bloße Verkleinerung bzw. Komprimierung keine eigene schöpferische Gestaltungshöhe auf, sondern sind technisch bedingte und technisch herbeigeführte Veränderungen eines Werkes. Der bloßen Verkleinerung bzw. Komprimierung kommt keine eigenständige, dem Werk dienende Funktion zu.

2. Thumbnails gehören nicht zu dem Bereich der (zustimmungsfrei zu verwertenden) freien Benutzung im Sinne von § 24 UrhG. § 24 UrhG priviligiert allein eine selbständige Neuschöpfung, die einen ausreichenden künsterlischen Abstand zum benutzten Werk aufweist. Dies ist bei automatisch, maschinell erstellten Thumbnails in den Ergebnislisten einer Bildersuchmaschine grundsätzlich nicht der Fall.

3. Eine gesetzliche Schrankenregelung, die eine Einwilligung des Urhebers in die Verwertung von Thumbnails durch den Anbieter einer Bildersuchmaschine entbehrlich machen greift grundsätzlich nicht. Weder § 44a noch §§ 58 Abs. 1, 53 oder § 521 UrhG sind einschlägig.

4. In dem Einstellen von Bildern in das Internet - zur freien Betrachtung und ohne technisches Schutzmaßnahmen - liegt keine (konkludente) Einwilligung des Rechteinhabers in deren Verwertung bzw. in eine Nutzungsrechtseinräumung (hier: Umgestaltung in Form von Thumbnails und Darstellung in den Ergebnislisten der Bildersuchmaschine von google). Dies gilt auch dann, wenn der Rechteinhaber grundsätzlich daran interessiert ist, dass die Bilder von möglichst vielen Internetnutzern betrachtet werden.

5. Auch wenn es technisch einfach möglich ist, zu verhindern, dass bestimmte in eine Internetseite eingebettete Bilder von den Suchrobotern ("crawlern") einer Suchmaschine indexiert werden (hier: Bilder etwa durch die Eingabe "Googlebot-Image Disallow: ..." in der robots.txt-Datei), liegt darin noch keine (konkludente) Einwilligung des Rechteinhabers in die Umgestaltung und/oder Verwertung seines Werkes (hier: Bilder). Technisch grundsätzlich mögliche Sperren können dienlich sein, ihr Fehlen kann aber nicht als Freigabe für jede beliebige Form gewerblicher Drittnutzung verstanden werden (Hanseatisches OLG, GRUR 2001, 831). Freigabe meint nicht die totale Fremdnutzung (Schricker/Wild § 97 UrhG Rn. 19)

6. Daher willigt nicht jeder, der ein Bild zur freien Ansicht und ohne (technisch mögliche) Sperrmaßnahmen in das Internet einstellt, konkludent ein, dass sein Werk im Sinne von § 23 Abs. 1 UrhG durch eine (Bilder-) Suchmaschine als Thumbnail genutzt wird.

7. Die Geltenmachung eines Unterlassungsanspruchs (hier: gem. § 97 UrhG) wegen der rechtswidrigen Umgestaltung und/oder Verwertung eines Bildes in Form von thumbnails in der Ergebnisliste einer Bildersuchmaschine durch den Rechteinhaber kann sich aber dann als rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB) darstellen, wenn der Rechteinhaber eine "Suchmaschinenoptimierung" dergestalt vorgenommen hat, dass Internet-Suchmaschinen der Zugriff auf die Inhalte der betreffenden Internetseite, auf der die betreffenden Bilder eingebettet wurden, erleichtert wird (hier: durch die Aufnahme und Aktualisierung von Begriffen in den META-Tags der Webseite "keywords"). Beruft sich der Rechteinhaber in einem solchen Fall auf die fehlende Einwilligung zur Verwertung, stellt dies ein "venire contra factum proprium" dar. Es ist insofern widersprüchlich, wenn der Rechteinhaber ein mangelndes Einverständnis mit der Indexierung und Verwertung durch eine Bildersuchmaschine behauptet, gleichzeitig aber tatsächliche Handlungen vornimmt, die eine Indexierung durch Suchmaschinen ermöglichen oder sogar erleichtern, und die auf einer bewussten technischen Ansteuerung bzw. Beeinflussung der Suchmaschinentechnik beruhen.

8. Der Rechteinhaber kann sich insofern auch nicht darauf berufen, sein Interesse beziehe sich lediglich darauf, dass seine Bilder im Internet aufgefunden werden, nicht aber in Form von thumbnails genutzt werden. Denn durch eine die Auffindbarkeit einer Webseite in Suchmaschinenen beeinflussende Programmierung (hier: Angaben im META-Tag "keywords") gibt der Rechteinhaber zu erkennen, dass er insgesamt am Zugriff durch Suchmaschinen interessiert ist. Dann darf sich der Rechteinhaber aber auch nicht gegen ein Verfahren (hier: Umgestaltung von Bildern in thumbnails) wenden, das bei einer Bildersuche üblich ist.

MIR 2008, Dok. 122


Anm. der Redaktion: Das Gericht hat die Revision gem. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu gelassen.
Thumbnails sind kleine, digitale Grafiken oder Bilder, die als Vorschaubild, Bildvorschau oder Miniaturbild eine Vorschau auf die größere (Original-) Version des betreffenden Bildes oder der betreffenden Grafik dienen.
Download: Entscheidungsvolltext PDF

Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 18.04.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1587

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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