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LG Kiel, Urteil vom 23.11.2007 - 14 O 125/07
Störerhaftung des Accessproviders - Der Accessprovider haftet nicht als Störer für rechtswidrige Internetangebote Dritter, da er weder rechtlich noch tatsächlich die Möglichkeit hat, effektive Maßnahmen zu treffen, um solche Inhalte zu unterbinden.
BGB § 1004, TMG § 7 Abs. 2 Satz 1, §§ 8, 9, 10, 11; UWG §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Satz 1, Abs. 3, Nr. 1; StGB § 184; JMStV § 4 Abs. 1 Ziff 10, Abs. 2 Satz 1 Ziffer 1 und Satz 2
Leitsätze:*1. Der Accessprovider (hier: Internetzugangsanbieter) ist grundsätzlich weder Täter noch Teilnehmer einer Zuwiderhandlung des
Betreibers einer Internetseite. Denn der Accessprovider vermittelt seinen Kunden lediglich den Zugang
zum Internet. Jedenfalls ohne konkrete Hinweise hat der Accessprovider keine Kenntnis von konkret
drohenden Haupttaten, so dass es an dem erforderlichen Gehilfenvorsatz fehlt (vgl. BGH GRUR, 2007, 892)
2. Die Leistungen eines Accessproviders sind im Bezug auf das Angebot eines Internethändlers (hier: für Erotik DVDs)
keine Wettbewerbshandlungen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Zwar erhebt der eine Accessprovider als Internetzugangsanbieter
Gebühren. Diese Gebührenerhebung erfolgt aber völlig unabhängig davon, welche Inhalte der Kunde aus dem Internet
herunterlädt bzw. welche Inhalte er in das Internet einstellt. Die Leistung des Accessproviders ist insoweit
inhaltsneutral; er erbringt eine reine Telekommunikationsleistung und verfolgt weder eigene noch
fremde Wettbewerbsinteressen (hier: im Bezug auf die Internetseite eines Erotikangebots).
3. Dem Accessprovider obliegt auch keine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht im Bezug auf Internetangebote Dritter, die
für seine Kunden mittels des zur Verfügung gestellten Internetzugangs erreichbar sind. Denn nur
derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft, muss Maßnahmen und
Vorkehrungen treffen, die zur Abwendung der daraus Dritten drohenden Gefahren notwendig sind. Die ist beim Accessprovider
im Bezug auf (irgendwelche) durch den Internetzugange erreichbaren Webseiten grundsätzlich nicht der Fall.
4. Der Accessprovider haftet nicht als Störer aus § 1004 BGB analog für rechtswidrige Internetangebote Dritter.
Zwar steht § 7 Abs. 2 Satz 1 TMG einer Inanspruchnahme des Accessproviders nicht entgegen, da die Verpflichtung des § 7 Abs. 2 TMG
alle Diensteanbieter nach §§ 9 bis 11 TMG trifft. Der Accessprovider hat allerdings weder rechtlich noch tatsächlich
die Möglichkeit, geeignete Maßnahmen zur Verhinderung rechtswidriger Handlungen (hier: jugendgefährdende und
den Wettbewerb beeinträchtigende Handlungen) zu treffen. So steht der Accessprovider in der Regel in keiner vertraglichen
Beziehung mit (irgendeinem) Webseiten-Betreiber. Selbst die Sperrung des Zugangs der Nutzer über die DNS-Server
(Domain-Name-System) kann rechtswidrige Darbietungen und Handlungen weder verhindern, noch in geeigneter Weise
einschränken, da die Ausweichmöglichkeiten für den Anbieter rechtswidriger Angebote vielfältig und leicht
zu umgehen sind (etwa: durch Bereithaltung der Inhalte unter einer anderen Domain).
5. Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG gilt als widerlegt, wenn der Anspruchsteller
länger als 4 Wochen nach Kenntnis des Wettbewerbsverstoßes mit gerichtlichen Maßnahmen
gegen den Störer zuwartet. Ebenfalls ist es dringlichkeitsschädlich, wenn sich der
Anspruchsinhaber der erforderlichen Erkenntnis des Wettbewerbsverstoßes grob
fahrlässig verschließt.
6. Eine Leistungsverfügung (etwa gerichtet auf die Sperrung einer bestimmten Internetseite)
setzt voraus, dass der Nichterlass der begehrten einstweiligen Verfügung
zu einer Existenzgefährdung oder zu einem vergleichbaren schwerwiegenden Eingriff in die
Angelegenheiten des Antragstellers führt. (vgl. OLG Hamburg, WRP 2006, 1262).
Bearbeiter: Thomas Gramespacher
Online seit: 02.12.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1438
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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