Rechtsprechung
OLG Köln, Beschluss vom 07.05.2007 - 6 W 54/07
Zum bundesweiten und regionalen Kennzeichenschutz einer für den Vertrieb von Internet-Dienstleistungen (hier: Internet-Zugänge) verwendeten - nicht als Marke eingetragenen - Bezeichnung.
MarkenG §§ 4 Nr. 2, 8 Abs. 3, § 14 Abs. 2; UWG §§ 4 Nr. 9 u. 10
Leitsätze:*1. Ein Zeichen hat dann als Marke Verkehrsgeltung erlangt, wenn ein nicht unerheblicher Teil
der angesprochenen Verkehrskreise es für bestimmte Waren oder Dienstleistungen einem bestimmten
Unternehmen als Herkunftshinweis zuordnet.
Diese Verkehrsgeltung muss allerdings – anders als die gem. § 8 Abs.3 MarkenG zur Überwindung
von Eintragungshindernissen führende Verkehrsdurchsetzung – nicht in allen Fällen im gesamten Bundesgebiet erreicht sein. Es kann vielmehr – allerdings nur für einen entsprechend regional
begrenzten Schutz - genügen, wenn die hinreichende Zuordnung des Zeichens zu einem Unternehmen
in einem bestimmten abgegrenzten Wirtschaftgebiet erreicht worden ist (BGH GRUR 57, 93 - "Ihr Funkberater";
GRUR 67, 482, 485 – "WKS Möbel II"; GRUR 79, 470, 472 – "RBB/RBT"; GRUR 92, 865 – "Volksbank", sämtlich
noch zum Warenzeichengesetz; OLG Dresden GRUR-RR 02, 257 – "Halberstädter Würstchen").
2. Vertreibt ein Gewerbetreibender (hier: ein Internet-Service-Provider) seine Dienstleistungen (hier: Internetzugänge) -
die Ihrer Natur nach auch von jedem Interessenten im gesamten Bundesgebiet in Anspruch genommen werden können - nicht
ausschließlich, sondern nur "vornehmlich" in bestimmten Regionen; vielmehr über das Internet und damit bundesweit,
kommt eine regional begrenzte Verkehrsgeltung nicht in Betracht.
Es muss hierbei der Entscheidung zugrunde gelegt werden, wenn der Anbieter auch Aufträge von auswärtigen Kunden annimmt,
zumal wenn dies technisch ohne persönlichen Kontakt zu dem Kunden ohne weiteres möglich und deswegen wirtschaftlich sinnvoll ist.
Enthält der Internetauftritt des Anbieters darüber hinaus eine entsprechende (regionale) Beschränkung nicht und werden die Interessenten aus anderen Regionen nicht abgelehnt, spricht dies ebenfalls gegen eine regional beschränkten Markenschutz.
3. Eine regional begrenzte Verkehrgeltung bzw. nach früherer unter dem WZG verwendeter Terminologie
Verkehrsdurchsetzung kommt zunächst in Betracht, wenn der Gewerbetreibende seine gekennzeichneten
Waren ausschließlich in einem bestimmten räumlich begrenzten Bezirk absetzt und dort bei den beteiligten
Verkehrskreisen einen ausreichend hohen Zuordnungsgrad des Zeichens zu seinem Unternehmen erreicht hat (
BGH GRUR 57, 93 - "Ihr Funkberater" und GRUR 67, 482, 485 - "WKS Möbel II").
4. Die Zubilligung von Verkehrsgeltung für einen abgegrenzten Wirtschaftsraum zu Gunsten eines auch bundesweit
tätigen Anbieters würde dazu führen können, dass für dasselbe Zeichen und dieselben Waren bzw. Dienstleistungen
in der einen Region Deutschlands dem einen und in anderen Regionen dem anderen Anbieter ausschließliche
Nutzungsrechte zustünden. Wird das Zeichen nur von zwei Anbietern verwendet, könnte eine Aufteilung der
gesamten Bundesrepublik in verschiedene Gebiete zu Gunsten dieser beiden Anbieter entstehen.
Eine klare Zuordnung des Zeichens und seine Funktion als Marke, auf einen bestimmten Anbieter hinzuweisen,
wäre so kaum noch gewährleistet.
5. Kommt dem rein örtlichen Vertrieb am Sitz des im gesamten Bundesgebiet tätigen Unternehmens eine nur
untergeordnete Bedeutung zu und beruht die räumlich beschränkte Verkehrsgeltung letztlich darauf, dass
das fragliche Unternehmen in diesem Raum seinen Sitz und dort ganz allgemein eine gewisse Bedeutung als
Herstellungs- und/oder Vertriebsunternehmen erlangt hat, so kann dieser enge räumliche Bereich noch nicht
als ein zur Zubilligung eines Kennzeichenschutzes kraft Verkehrsgeltung ausreichender einheitlicher
Wirtschaftsraum angesehen werden.
6. Der Vertrieb von Internetzugängen hat ohne das Hinzutreten weiterer Umstände keinen Bezug zu der Region,
in der der Anbieter tätig ist. Ein (regional-begrenzter) Markenschutz gem. § 4 Nr. 2 MarkenG kommt nicht in Betracht.
Zugang zum Internet, wird vielmehr im gesamten Bundesgebiet nachgefragt und in Anspruch genommen. Dies gilt umso mehr, als
für den Vertrieb der Internetzugänge der "übliche Vertriebsweg" über dass Internet gewählt wird und kein besonderer
örtlicher Werbe-Aufwand betrieben oder eine besondere Absatzstrategie - die nur auf den örtlichen Bereich beschränkt wäre - gewählt
wird. Ist aber davon auszugehen, dass eine verstärkte Auftragserteilung durch Kunden, die in einer bestimmten
Region ihren Sitz haben, auf dem bloßen Umstand beruht, das der Anbieter von dort aus seine Dienstleistungen
anbietet, seinen Sitz hat und (lediglich auch) regional Werbung betreibt, reicht dies für die Zubilligung einer Verkehrsgeltung
in diesem beschränkten Raum nicht aus.
7. Für die Beurteilung eines etwaigen Markenschutzes für eine zum Vertrieb von Internetzugängen verwendete - nicht
als Marke eingetragene - Bezeichnung ist, im Rahmen der Feststellung der Voraussetzungen einer Verkehrsgeltung
der betreffenden Bezeichnung, grundsätzlich auf das gesamte Bundesgebiet abzustellen.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 22.07.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1302
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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